Ausgangssperre in Sachsen
Das Landgericht Dresden verurteilte im März 2020 einen Mann wegen Betrugs in sechs Fällen und Insolvenzverschleppung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Der Angeklagte wehrte sich gegen dieses Urteil unter anderem, weil die während des Prozesses geltende Corona-Verordnung in Sachsen das Verlassen des Hauses nur wegen eines wichtigen Grundes erlaubt hatte. Dadurch sei der Öffentlichkeitsgrundsatz verletzt worden. Die Revision vor dem Bundesgerichtshof hatte keinen Erfolg.
Öffentlichkeit zur Kontrolle des Gerichts unverzichtbar
Der 5. Strafsenat schloss sich dem 4. Strafsenat an: Durch die Allgemeinverfügung des Landes Sachsen zum ersten Lockdown sei die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen worden. Ein Verstoß gegen § 169 GVG habe nicht vorgelegen, weil die Teilnahme an einer öffentlichen Gerichtsverhandlung einen (unbenannten) triftigen Grund begründet habe. Die Sachsen konnten also laut BGH im Einklang mit der Corona-Verordnung als Zuschauer an Prozessen teilnehmen. Die Saalöffentlichkeit sei ein unverzichtbares Institut zur Verhinderung obrigkeitlicher Willkür, betonten die Richter, die Wahrnehmung der Kontrolle des Gerichts sei daher als triftiger Grund im Sinne der Corona-Verfügung anzuerkennen.
Funktion der Strafrechtspflege ebenfalls wesentlich
Der BGH hob hervor, dass das Funktionieren der Strafrechtspflege auch während der Pandemie gewährleistet bleiben müsse: Das Gericht hätte das Verfahren daher nicht unterbrechen oder gar aussetzen müssen, um dem Öffentlichkeitsgrundsatz eine weitergehende Wirkung zu verschaffen. Gerade wenn die Dauer der Einschränkungen nicht absehbar sei, gebiete das Rechtsstaatsprinzip, die Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens sicherzustellen.