Notwendiger Inhalt eines Berufungsurteils

Ein Berufungsurteil muss stets zu erkennen geben, welches Ziel die Parteien mit ihrem Rechtsmittel verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen. Laut Bundesgerichtshof müssen die Berufungsanträge dabei zumindest sinngemäß wiedergegeben werden. Fehlten solche Darstellungen, sei das Urteil von Amts wegen aufzuheben und zurückzuverweisen.

LG kann rechtskräftiges amtsgerichtliches Urteil nicht aufheben

Die Parteien verklagten sich gegenseitig auf Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall. Ihre Fahrzeuge kollidierten auf einer zweispurigen Straße und wurden beschädigt. Das Amtsgericht Leipzig erkannte dem klägerischen Autofahrer einen hälftigen Erstattungsanspruch von 1.210 Euro zu. Auf die Widerklage und Drittwiderklage des Halters des anderen Unfallwagens wurden der Kläger und dessen Haftpflichtversicherer zur Zahlung von 1.780 Euro verurteilt. Die Berufung von zwei Beklagten scheiterte vor dem LG: Die erstinstanzliche Entscheidung sei zwar unrichtig, da nach Überzeugung des Gerichts feststehe, dass der Kläger sein Fahrzeug auf die rechte Fahrspur in das andere Fahrzeug gelenkt habe. Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des AG könne es aber nicht anders entscheiden. Dagegen legten der beklagte Fahrzeughalter sowie dessen Haftpflichtgesellschaft Revision beim BGH ein – mit Erfolg.

BGH: Berufungsbegehren ist klärungsbedürftig

Dem VI. Zivilsenat zufolge enthält das Berufungsurteil nicht den nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO notwendigen Inhalt. Die Karlsruher Richter monierten, dass die Berufungsanträge weder ausdrücklich noch sinngemäß wiedergegeben worden seien. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Gründe lasse sich das Begehren der Parteien nicht erschließen. Im Rubrum seien der beklagte Fahrzeughalter sowie dessen Haftpflichtversicherer als Berufungskläger genannt, allerdings sei nur der Halter als Widerkläger angegeben worden. Aus den Gründen ergebe sich, dass die Entscheidung des AG rechtskräftig sei, soweit dem Kläger ein hälftiger Erstattungsanspruch zuerkannt worden sei. Damit bleibe allerdings unklar, wogegen sich die Berufung der Versicherung richten solle.

Grenzen der Rechtskraft verkannt

Der BGH verwies die Sache daher an das LG zurück. Er gab den Hinweis, dass die Auffassung des LG, durch die teilweise stattgebende Entscheidung über die Klage daran gehindert zu sein, der Widerklage weitergehend als das AG stattzugeben, nicht zutreffe. In prozessualer Hinsicht habe das LG insoweit bereits die objektiven Grenzen der Rechtskraft verkannt, die sich nicht auf die Beurteilung von Vorfragen wie auf die Frage nach der Unabwendbarkeit des Unfalls für die Beklagten nach § 17 Abs. 3 StVG oder die dem Zahlungsausspruch zugrunde liegende Haftungsquote erstrecke. Der Nachweis der Unabwendbarkeit sei, so der BGH entgegen der Ansicht des LG, dabei keine zwingende Voraussetzung für die alleinige Haftung des Verursachers.

BGH, Urteil vom 15.06.2021 - VI ZR 1029/20

Redaktion beck-aktuell, 6. Juli 2021.