Not­we­ge­recht auch bei bau­li­chen Ver­bin­dungs­pro­ble­men

Ein Not­we­ge­recht kann auch dann be­stehen, wenn der in der Bau­ge­neh­mi­gung vor­ge­se­he­ne Weg tech­nisch nicht oder nur mit un­zu­mut­ba­rem Auf­wand her­stell­bar ist. Ma­ß­geb­lich sind laut Bun­des­ge­richts­hof die heu­ti­gen tech­ni­schen und recht­li­chen Ver­hält­nis­se. Dies gelte auch für die Frage, wel­chen An­for­de­run­gen ein sol­cher Zu­gang heute ge­nü­gen müsse.

Vor­ma­li­ger Ei­gen­tü­mer ließ Haus ohne Zu­fahrt er­rich­ten

Der Eig­ner eines be­bau­ten Hang­grund­stücks ohne öf­fent­li­chen Zu­gang in Hin­ter­la­ge ver­lang­te von sei­nen Nach­barn, deren Grund­stü­cke und ein von ihnen mit einer Grund­dienst­bar­keit be­leg­tes Grund­stück wei­ter­hin als Zu­fahrt nut­zen zu dür­fen. Die dem vor­ma­li­gen Haus­be­sit­zer 1956 er­teil­te Bau­ge­neh­mi­gung ent­hielt die Be­stim­mung, dass der Zu­gang und die Zu­fahrt über einen auf dem vor­de­ren Grund­stück her­zu­stel­len­den Weg (Min­dest­brei­te von 2,50 Meter) er­fol­gen solle. Das Ganze wurde so auch ins Grund­buch ein­ge­tra­gen, eine Durch­fahrt wurde je­doch nicht ge­schaf­fen. Heute ver­läuft auf dem vor­de­ren Grund­stück ent­lang ein Fahr­weg von der Stra­ße bis zu der hin­ter dem Haus ge­le­ge­nen Stell­platz­flä­che. Von dort führt nur eine Trep­pe zu dem tie­fer ge­le­ge­nen Grund­stück des Klä­gers. Die Be­klag­ten waren seit 2011 Ei­gen­tü­mer west­lich an­gren­zen­der Area­le. Ihnen stand zudem ein durch eine Grund­dienst­bar­keit ge­si­cher­tes We­ge­recht an einem im Ei­gen­tum eines Drit­ten ste­hen­den Grund­stücks zu. Seit 1988 nutz­te der Klä­ger den Weg über diese Grund­stü­cke auf Grund­la­ge einer schuld­recht­li­chen Ver­ein­ba­rung mit der Rechts­vor­gän­ge­rin der Be­klag­ten, um mit sei­nem Auto an sein Grund­stück her­an­zu­fah­ren. 2015 kün­dig­ten die Nach­barn die Ver­ein­ba­rung. Das Land­ge­richt Wup­per­tal gab der Klage gegen Zah­lung einer jähr­li­chen Not­weg­ren­te von 300 Euro statt. Beim Ober­lan­des­ge­richt Düs­sel­dorf schei­te­re sie, da ein Not­we­ge­recht nach § 918 Abs. 1 BGB ana­log – da keine be­stehen­de Ver­bin­dung un­ter­bro­chen wurde – aus­schei­de. Das Ver­bin­dungs­pro­blem sei vom da­ma­li­gen Grund­stücks­ei­gen­tü­mer be­wusst her­bei­ge­führt wor­den, weil die­ser ent­ge­gen der bau­recht­li­chen Vor­ga­be das Haus ohne Zu­fahrt er­rich­tet und le­dig­lich eine Zu­gangs­mög­lich­keit über eine Trep­pe ge­schaf­fen habe. Die Re­vi­si­on des Klä­gers beim BGH hatte hin­ge­gen Er­folg.

Füh­ren to­po­gra­fi­sche Ge­ge­ben­hei­ten zu Not­we­ge­recht?

Dem V. Zi­vil­se­nat zu­fol­ge kann ein Not­we­ge­recht des Klä­gers be­stehen. Er ver­wies die Sache daher an das OLG zur wei­te­ren Prü­fung zu­rück. Ein – al­lein mög­li­cher – ana­lo­ger Aus­schluss nach § 918 Abs. 1 BGB auf­grund des Ver­hal­tens des Bau­herrn schei­te­re am Feh­len einer Ge­set­zes­lü­cke. Ob ein grund­sätz­lich vor­ran­gi­ger Zuweg über das vor­de­re Grund­stück tech­nisch rea­li­sier­bar und auch zu­mut­bar sei, sei zu prü­fen. Ob eine Zu­we­gung zu einem be­bau­ten Grund­stück den An­for­de­run­gen an eine zur ord­nungs­mä­ßi­gen Grund­stücks­nut­zung not­wen­di­ge Ver­bin­dung mit einem öf­fent­li­chen Weg ge­nü­ge, be­ur­tei­le sich dabei nach den ak­tu­el­len tech­ni­schen und recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und nicht nach den Ge­ge­ben­hei­ten bei Er­tei­lung der Bau­ge­neh­mi­gung. Soll­ten die Be­klag­ten zur Dul­dung des Not­wegs ver­pflich­tet sein, habe das OLG eine an­ge­mes­se­ne Not­weg­ren­te fest­zu­set­zen.

BGH, Urteil vom 13.05.2022 - V ZR 4/21

Redaktion beck-aktuell, 20. Juli 2022.

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