Notar muss unparteilich sein

Wenn ein Notar bei einer Vertragspartei den Eindruck erweckt, nur im Interesse des Gegners zu handeln, begeht er ein Dienstvergehen (§ 95 BNotO). Stellt er im Namen eines Grundstücksverkäufers einen Antrag auf Eigentumsübertragung beim Grundbuchamt, obwohl er weiß, dass das nicht im Interesse der Erwerberin liegt, muss er sie laut Bundesgerichtshof über seinen Antrag informieren. Anderenfalls ist eine Disziplinarstrafe berechtigt.

Eigentümerwechsel auf Biegen und Brechen

Ein Notar beurkundete ein Grundstücksgeschäft. Unter anderem beantragte die Käuferin in dem Kaufvertrag die Eintragung der Eigentumsumschreibung in das Grundbuch. Der Verkäufer bewilligte diese - er stellte aber keinen eigenen gleichlautenden Antrag. Der Jurist beantragte die Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt. Dann gerieten die Parteien in Streit, und die Erwerberin wollte nicht länger am Vertrag festhalten. Nachdem der Notar sich geweigert hatte, den Antrag zurückzunehmen, weil der Verkäufer an dem Vertrag festhielt, zog sie ihn selbst zurück. Der Jurist legte erst erfolglos Beschwerde gegen die Feststellung der Behörde ein, es liege ein Eintragungshindernis vor. Dann stellte er den Antrag einfach erneut im Namen des Veräußerers, ohne die Käuferin hierüber zu informieren. Das Manöver gelang, und sie wurde eingetragen. 

Disziplinarstrafe durch Notaraufsicht

Dafür revanchierte sie sich mit einer Beschwerde an die Notaraufsicht: Der Notar erhielt wegen Verstoßes gegen die Neutralität eine Disziplinarstrafe in Höhe von 7.500 Euro. Das Oberlandesgericht Celle reduzierte die Strafe auf 4.000 Euro. Nachdem der Notar die Zulassung der Berufung beim Bundesgerichtshof beantragt hatte, erreichte er die Altersgrenze (§ 48a BNotO) und schied aus dem Beruf aus. Das Disziplinarverfahren wurde eingestellt und die Parteien erklärten die Sache übereinstimmend für erledigt. Der Bundesgerichtshof hatte nun noch über die Kosten zu entscheiden.

Dienstvergehen durch Informationspflichtverletzung

Die Neutralität sei ein "schlechthin prägendes Wesensmerkmal des Notaramts", erläuterte der BGH. Als unabhängiger und unparteiischer Betreuer aller Beteiligten nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO dürfe sich der Inhaber dieses Amts nicht einmal den Anschein geben, nur die Interessen einer Partei zu verfolgen. Der Notar habe die Neutralitätspflicht verletzt, indem er die Käuferin nicht darüber informiert habe, dass er die Umschreibung zum zweiten Mal beantragt hatte. Sie sei nach Rücknahme ihres Antrags mit Fug und Recht davon ausgegangen, dass der Eigentümerwechsel nicht eingetragen werde: Laut Kaufvertrag habe der Jurist nur für sie den Antrag gestellt und mit ihrer Rücknahme sei das hinfällig geworden. Mit einem neuen Antrag im Auftrag ihres Gegners habe sie nicht rechnen müssen. Vielmehr habe der Notar gewusst, dass die Erwerberin den Kaufvertrag für materiell unwirksam hielt und dass sie gegen eine Eintragung im Eilrechtsschutz vorgehen würde. Indem er sie also bewusst nicht unterrichtete, erweckte er nach Ansicht der Bundesrichter den Eindruck, er begünstige den Verkäufer einseitig.

Kosten trägt, wer verloren hätte

Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien war das Verfahren einzustellen und das Urteil in erster Instanz für unwirksam zu erklären, so die Karlsruher Richter. Nach billigem Ermessen seien die Kosten vom Notar zu tragen: Zwar habe die Justizbehörde das Verfahren "freiwillig" eingestellt und sei damit eigentlich unterlegen - aber das sei nur deshalb geschehen, weil er aus dem Notariat ausgeschieden sei und damit die Regeln des BNotO nicht mehr für ihn gelten würden. Entscheidend sei, so der Notarsenat, dass der Antrag des Klägers ohne Erfolg geblieben wäre; die Kosten der Rechtsmittelinstanz habe daher er zu tragen.

BGH, Beschluss vom 16.11.2020 - NotSt (Brfg) 3/20

Redaktion beck-aktuell, 12. Januar 2021.