Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München
Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 2/2017 vom 26.01.2017
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Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aus einer bei der Beklagten gehaltenen Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung für ein geleastes Fahrzeug nach einem unfallbedingten Totalschaden Ende 2010 eine den Wiederbeschaffungswert übersteigende Neupreisentschädigung zusteht. Abgeschlossen wurde eine «Kraftfahrversicherung Comfort» unter Einbeziehung der AKB 09/2009 der Beklagten. Nicht abgeschlossen wurde eine sogenannte GAP-Versicherung für Leasing-PKW, auf die der Kläger in den Verbraucherinformationen vor Vertragsabschluss hingewiesen worden war.
Bezüglich der Klauseln A.2.6.2 AKB 2008 und A.2.6.3 AKB 2008 verweisen wir auf die bei Prölss/Martin VVG 29. Aufl. Nr. 350 abgedruckten AKB 2008 (die Klausel A.2.6.2 gilt in der zweiten der abgedruckten Varianten). Der beklagte Versicherer regulierte Anfang 2011 lediglich den Wiederbeschaffungswert und lehnte eine darüber hinausgehende Neuwertentschädigung mit der Begründung ab, dass es sich um ein geleastes Fahrzeug handle. Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück.
Rechtliche Wertung
Die Klausel A.2.6.2 der AKB ermögliche eine Neupreisentschädigung auch bei Leasing-Fahrzeugen, entschied der BGH. Voraussetzung sei nur, dass der Eigentümer zum Schadenzeitpunkt das Fahrzeug als Neufahrzeug erworben habe. Dies treffe auf den Leasinggeber zu. Nicht erforderlich sei nach der Klausel, dass der Eigentümer (Leasinggeber) zugleich auch Halter sei.
Zu Unrecht berufe sich der Versicherer darauf, dass die Verwendung der Entschädigung für die Reparatur oder eine Neuanschaffung nicht innerhalb der Frist der Klausel A.2.6.3 von einem Jahr nach Feststellung der Ersatzpflicht sichergestellt worden sei. Entgegen der Ansicht des Versicherers sei diese Frist noch nicht abgelaufen. Der Lauf dieser Frist beginne erst dann, wenn der Versicherer erklärt hat, die Neupreisentschädigung bis zu einem bestimmten Betrag dem Grunde nach zu schulden. Verweigere der Versicherer diese Erklärung, etwa weil er, wie hier, der Ansicht ist, die Neupreisentschädigung aus anderen Gründen nicht zu schulden, werde die Frist nicht anderweitig, z.B. durch die Leistungsablehnung, durch den Versicherungsfall oder eine Teilregulierung in Lauf gesetzt. Zwar sei in der Konsequenz auch der Zahlungsantrag des Klägers (derzeit) unbegründet. Die Klage dürfe aber nicht abgewiesen werden, solange dem Kläger nicht durch einen Hinweis nach § 139 ZPO Gelegenheit gegeben wurde, den Klageantrag dahingehend umzustellen, dass der Versicherer verpflichtet werde, die über den Wiederbeschaffungswert hinausgehende Entschädigung zu leisten.
Allerdings reiche es für die Sicherstellung der Ersatzbeschaffung nicht aus, dass die Leasinggeberin im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes irgendein neues Fahrzeug kauft. Eine solche Ersatzbeschaffung läge vielmehr nur dann vor, wenn die bisherige Leasinggeberin ein neues Fahrzeug erwerbe, um damit das Leasingverhältnis mit dem Versicherungsnehmer fortzusetzen oder ein neues, den abgerechneten Vertrag ersetzendes Leasingverhältnis zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.1993 - IV ZR 181/92, r+s 1993, 329).
Praxishinweis
Die Entscheidung enthält noch einen weiteren Hinweis zu der Frage, ob der Kläger gegebenenfalls hilfsweise einen Schadensersatzanspruch gegen den Versicherer wegen mangelnder Beratung über die Möglichkeit zum Abschluss einer sogenannten GAP-Versicherung speziell für Leasing-Fahrzeuge haben könnte. Nach Auffassung des BGH reicht allein der Hinweis hierauf in den Verbraucherinformationen nicht aus, um die in § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG geforderte Bedarfsermittlung noch die in § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG geforderte Beratungsdokumentation zu ersetzen.