Bei "nahestehender Person" denkt man eher an Freunde und Familie. Im Insolvenzrecht kann aber eine Kapitalbeteiligung ausreichen. Nach einer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung des BGH genügt dabei auch eine mittelbare Beteiligung: Ein Insolvenzverwalter verklagte einen eingetragenen Augenoptikerverein – alleiniger Gesellschafter einer M. GmbH – aufgrund einer Insolvenzanfechtung auf Zahlung von 300.000 Euro. Die M. GmbH war wiederum alleinige Gesellschafterin der insolventen Schuldnerin. Diese hatte von ihrem Geschäftskonto mehrfach Gelder – zuletzt 146.400 Euro – überwiesen. Weshalb und wofür sie die Zahlungen vornahm, war streitig. Die gesetzliche Vermutung der §§ 130 Abs. 3, 138 InsO, wonach bei nahestehenden Personen die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit zu vermuten ist, hielt das OLG Nürnberg dem Verein nicht entgegen: Der für juristische Personen geltende § 138 Abs. 2 InsO sei auf die mittelbare Beteiligung nicht anwendbar. Demnach scheitere die Insolvenzanfechtung schon an der fehlenden Kenntnis der finanziellen Lage.
Das sah der BGH anders. Dem für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenat zufolge ist die Kenntnis des beklagten Vereins von einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Zeitpunkt der Überweisung vom Juli 2013 nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 InsO zu vermuten (Urteil vom 22.2.2024 – IX ZR 106/21). "Ist der Schuldner – wie hier – eine juristische Person, so sind gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO unter anderem solche Personen als nahestehend anzusehen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind. Die Bestimmung erfasst auch mittelbare Beteiligungen…", entschied der BGH. Auch ohne ausdrückliche Regelung in § 138 InsO entspreche es dem in § 16 Abs. 4 AktG (Mehrheitsbesitz der Anteile) zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, für die Berechnung der Kapitalbeteiligung auch mittelbare Beteiligungen am Schuldner einzubeziehen.