Mutmaßlich geplanter Schulanschlag: Weiterhin Fluchtgefahr

Ein mittlerweile 17-jähriger Schüler, dem die Vorbereitung eines Amoklaufs an einer Essener Schule vorgeworfen wird, muss erneut in Untersuchungshaft. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ging weiterhin von Fluchtgefahr aus und änderte damit die Entscheidung des Ermittlungsrichters. Ob die Fluchtgefahr durch Auflagen gebannt werden könne, werde zeitnah geprüft, um die Fortsetzung einer begonnenen Behandlung zu ermöglichen.

"Blinde Entschlossenheit"

Der Jugendliche war am 12.05.2022 vorläufig festgenommen worden. Die Polizei ging nach Hinweisen eines Mitschülers davon aus, dass er fest entschlossen gewesen sei, am nächsten Tag in eine Schule einzudringen. Er habe möglichst viele Lehrer und Schüler töten wollen, die er als "anti-weiße und linke Untermenschen" eingestuft habe. Der Vorwurf lautete weiter, dass er damit Nachahmer habe animieren und Vorarbeit für einen erwarteten "Rassenkrieg" habe leisten wollen. Bei der Durchsuchung der elterlichen Wohnung wurde ein umfangreiches Arsenal gefunden: Unter anderem Bauteile für Rohrbomben inklusive Sprengstoff, Armbrüste, Macheten und Luftdruckpistolen. Entdeckt wurden weiterhin umfangreiche schriftliche und Videoaufzeichnungen, in denen der Schüler seine Gedankenwelt ausbreitete. Nach Übernahme des Verfahrens durch die Generalbundesanwaltschaft erließ der Ermittlungsrichter beim BGH zunächst am 14.06.2022 Haftbefehl (3 BGs 448/22). Im Rahmen einer Haftprüfung wurde dieser am 27.07.2022 aufgehoben. Seitdem hielt sich der Jugendliche freiwillig zur Behandlung in einem kinder- und jugendpsychiatrischen Krankenhaus auf. Die Beschwerde des Generalbundesanwalts hatte Erfolg und führte zum Wiederaufleben der ursprünglichen Haftanordnung.

"Unterbewusster" Wunsch nach Festnahme?

Der 3. Strafsenat folgte der Argumentation des Ermittlungsrichters nicht. Dieser hatte darauf hingewiesen, dass ein Teil der Schlagringe, Macheten und Pistolen im Elternschlafzimmer gefunden worden seien und daher möglicherweise vom Vater angeschafft worden sei. Im Übrigen könne der Offenbarung gegenüber dem Mitschüler am 11.05.2022 vielleicht "unterbewusst" der Wunsch zugrunde gelegen haben, gefasst zu werden. Der Senat konterte dies mit dem Hinweis, dass Videos gefunden worden seien, auf denen der Jugendliche "in voller Kampfmontur" mit den im Schlafzimmer lagernden Macheten und Pistolen zu sehen sei. Zudem seien die Bauteile für die Rohrbomben in seinem Zimmer sichergestellt worden. Er sei ferner davon ausgegangen, dass seine Klassenkameraden seine Pläne nicht ernst nehmen würden, so dass das Gespräch mit dem Mitschüler nicht für einen Wunsch, aufgehalten zu werden, spreche. Die Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit direkt vor dem geplanten Anschlag dokumentierten seine "blinde Entschlossenheit".

Hoher Fluchtanreiz

Die hohe Strafdrohung, die Angst vor einer Inhaftierung und vor seinen Mitgefangenen – die durch den Fund umfangreicher kinderpornografischer Dateien auf seinem Rechner und ein damit drohendes Verfahren noch gesteigert werden könne – spreche für eine Fluchtgefahr. Es solle aber zeitnah geprüft werden, ob durch geeignete Anweisungen nach § 116 StPO der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt und Außervollzugsetzung und damit die Behandlung fortgesetzt werden könne.

BGH, Beschluss vom 25.08.2022 - StB 37/22

Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 8. September 2022.