BGH: Motorhersteller in Dieselverfahren haftet nur bei Vorsatz
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Für einen Porsche mit einem Audi-Motor mit unzulässiger Abschalteinrichtung haftet der Motorenhersteller Audi nicht. Der BGH beschränkte die Haftung von Motorenherstellern am Montag auf Fälle, in denen diese entweder selbst sittenwidrig vorsätzlich gehandelt oder vorsätzlich Beihilfe dazu geleistet haben, dass der Fahrzeughersteller das Auto seinerseits vorsätzlich mit falscher Übereinstimmungsbescheinigung in den Verkehr gebracht hat.

Im April 2019 kaufte der heutige Kläger von einem Händler einen gebrauchten Porsche, der mit einem Audi-Motor der Baureihe EA 897 (Euro 6) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug war bereits zuvor von einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffen. Ein von Audi zur Beseitigung der Abschalteinrichtung erstelltes Software-Update hatte das KBA im August 2018 freigegeben.

Der Käufer verlangte von Audi als Herstellerin des Motors, die nicht zugleich Fahrzeugherstellerin ist, Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug. Er klagte auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich des Werts gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Während er vor dem Landgericht Osnabrück weitgehend Erfolg hatte, gab das Oberlandesgericht Oldenburg in der Berufung der Motorenherstellerin Recht: Der Käufer könne weder nach §§ 826, 31 BGB noch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schadensersatz von Audi verlangen, so das OLG.

Haftung knüpft an Übereinstimmungsbescheinigung an

Der Bundesgerichtshof hat nun auch die Revision des Mannes zurückgewiesen. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts gingen die Bundesrichter davon aus, dass Audi als Herstellerin des verbauten Motors den Käufer weder selbst sittenwidrig vorsätzlich geschädigt noch vorsätzlich Beihilfe dazu geleistet habe, dass Porsche das Fahrzeug vorsätzlich mit einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung in den Verkehr brachte. 

Zwar stehe dem Käufer eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung unter den Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch gegen den Fahrzeughersteller auf Ersatz des Differenzschadens zu, so die BGH-Richter unter Verweis auf ihre aktuellen Urteile vom 26.06.2023 (vgl. BeckRS 2023, 15119). In diesen Entscheidungen hatte der BGH sich auf die Rechtsprechung des EuGH vom 21. März 2023 (NJW 2023, 1111) gestützt, der die Haftung in Dieselfällen daran knüpfte, dass die Hersteller eine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung ausstellen. Damit bescheinige, so der EuGH und im Anschluss die deutschen Bundesrichter, der Fahrzeughersteller in seiner Eigenschaft als Inhaber einer EG-Typgenehmigung nicht nur die Übereinstimmung des erworbenen Fahrzeugs mit dem genehmigten Typ, sondern auch die Einhaltung aller Rechtsakte bescheinigt.

Übereinstimmungsbescheinigung muss nur der Fahrzeughersteller ausgeben

Diese Sonderpflicht, eine Übereinstimmungsbescheinigung auszugeben, treffe indessen nur den Fahrzeughersteller und eben nicht den Hersteller des Motors, so die BGH-Richter jetzt. Der Motorenhersteller könne deshalb, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des deutschen Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer (Vorsatz-)Täter hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihn die dazu erforderliche Sonderpflicht nicht treffe. 

Eine Beteiligung von Audi im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB an einer deliktischen Schädigung des Fahrzeugherstellers Porsche, die ebenfalls eine deliktische Haftung begründen könnte, erklärte der VIa. Zivilsenat zwar für möglich, verneinte sie aber im entschiedenen Fall, weil das Berufungsgericht kein vorsätzliches Handeln auf Seiten der Fahrzeugherstellerin Porsche festgestellt habe. 

Beihilfe könne auch zu Sonderdelikten geleistet werden, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein kann. Voraussetzung wäre dafür laut dem Senat allerdings, dass der Gehilfe mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt habe. Ohne Vorsatztat des Fahrzeugherstellers seien die Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 BGB nicht erfüllt.

BGH, Urteil vom 10.07.2023 - VIa ZR 1119/22

Redaktion beck-aktuell, 11. Juli 2023.