BGH verbietet "Mogelpackung" für Waschgel
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Verbraucher dürfen nicht durch "Mogelpackungen" über die geringere Füllmenge einer Tube, Schachtel oder Tüte getäuscht werden. Das hat der BGH heute in einem Urteil gegen den Kosmetikhersteller L’Oréal entschieden. Das Verbot gilt selbst bei bloßen Fotos im Internet und nicht nur bei Waren im Ladenregal.

Immer wieder rügen Konsumentenschützer, dass Hersteller ihre Waren in überdimen­sionierten Verpackungen vertrieben und damit mehr Inhalt vorgaukelten, als es der geforderte Preis rechtfertige. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat deshalb den Kosmetikhersteller L’Oréal verklagt. Sie wirft ihm seine Werbung im Internet für ein Herrenwaschgel (Füllmenge: 100 ml) vor, dessen Kunststofftube auf dem Verschlussdeckel stehend abgebildet wurde. Der untere Bereich war durchsichtig und zeigte den orange­farbenen Inhalt; nach oben hin verjüngte sich der Behälter in Richtung Falz und war nicht mehr transparent, sondern silbern eingefärbt. Gemein: Dort waren die ­Tuben leer. Das fand die Kundenlobby unlauter, weil eine nahezu vollständige Befüllung der Tube mit der Reinigungsflüssigkeit suggeriert werde. Vor dem OLG Düsseldorf verlor sie beide Parallelprozesse in dieser Sache, die Bundesrichter ließen aber aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde die Revision zu – und gaben nun den Klägern recht (Urteil vom 29.05.2024 – I ZR 43/23).

Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat befand, dass die Verpackung eines Produkts in der Regel in keinem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge stehe, wenn sie nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt ist. Im Gegensatz zu den beiden Vorinstanzen verurteilte er das französische Unternehmen deshalb dazu, die entsprechende Reklame zu unterlassen. Die Karlsruher Richter und Richterinnen entschieden sogar endgültig selbst und schickten die Akten nicht – wie sonst meist – an die Vorinstanzen zurück.

"Nur zu zwei Dritteln voll"

Dabei verwarfen sie die Argumente aus Düsseldorf, wo L’Oréal Deutschland seinen Sitz hat, und gaben damit der Stuttgarter Verbraucherzentrale recht. Die beanstandete Internetwerbung für das Waschgel verstoße gegen § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG, schreibt der BGH in einer Mitteilung. "Eine wettbewerblich relevante Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung liegt unabhängig von dem konkret beanstandeten Werbemedium grundsätzlich vor, wenn die Verpackung eines Produkts nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der darin enthaltenen Füllmenge steht." Das sei hier der Fall, da die Waschgel-Tube nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt sei. Weder die Aufmachung der Verpackung verhindere zuverlässig das Vortäuschen einer größeren Füllmenge noch beruhe die vorhandene Füllmenge auf technischen Erfordernissen.

Der Senat ging deshalb auf weitere Argumente der Verbraucherlobby nicht ein, nämlich dass außerdem die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Mess- und Eichgesetz (MessEG) erfüllt seien. Insbesondere betraf dies den Vorwurf aus dem "Ländle", die Werbung für ein Produkt oder das bloße Angebot falle unter den Begriff der "Bereitstellung auf dem Markt" nach § 2 Nr. 1 MessEG. Die Bundesrichter dazu: "Denn soweit – wie hier – Handlungen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern betroffen sind, kommt die Vorschrift des § 43 Abs. 2 MessEG aufgrund der vollharmonisierenden Wirkung von Art. 3 und 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken nicht zur Anwendung." Die Beurteilung, ob eine Irreführung über die relative Füllmenge einer Fertigpackung vorliege, habe daher allein nach § 5 UWG zu erfolgen.

Diese Vorschrift stuft es als unlauter ein, wenn jemand "eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte". Das gelte etwa, wenn die Anpreisung unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über bestimmte Umstände enthalte, nämlich "die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen".

BGH, Urteil vom 29.05.2024 - I ZR 43/23

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 29. Mai 2024.