Mögliche Verharmlosung bei Risikoaufklärung

Liefern Passagen aus einem Aufklärungsbogen Anhaltspunkte dafür, dass das Operationsrisiko gegenüber dem Patienten verharmlost wurde, muss dem Vortrag nachgegangen werden, wie der Bundesgerichtshof betonte. Es stelle einen Gehörsverstoß dar, wenn ein Gericht sich nicht mit dem zentralen Vortrag einer Partei beschäftige.

"Große Tumoroperation!"

Eine Patientin stritt sich mit ihrer Klinik und dem behandelnden Arzt um Schadensersatz nach einer Operation. Sie litt an einem sogenannten Meningeom (meist gutartiger und langsam wachsender Tumor der Hirnhaut). Aufgrund seiner Größe wurde eine operative Entfernung empfohlen und durchgeführt. Allerdings blieben halbseitige Lähmungserscheinungen. Auf diese Gefahr war die Frau ihrer Ansicht nach nicht ausreichend hingewiesen worden. Ihre Klage hatte beim Landgericht Trier und dem Oberlandesgericht Koblenz keinen Erfolg. Der Aufklärungsbogen, den der Arzt beim Gespräch zur Betonung an wichtigen Stellen unterstrichen habe, gebe ein zutreffendes Bild ab, da er insbesondere auf Lebensgefahren hingewiesen und schon die von ihm eingetragene Überschrift "große Tumoroperation!" gewarnt habe. Die Tatsache, dass der Mediziner die Formulierung des Bogens "unter Umständen schwere und dauerhafte Ausfälle" nicht unterstrichen habe, spreche nicht für eine Verharmlosung. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Erkrankten führte zur Zurückverweisung.

Unzutreffende Beschreibung

Nach Ansicht der Karlsruher Richter hat das OLG wesentliche Teile des Vortrags der Geschädigten nicht berücksichtigt. Sie habe sich nicht darauf beschränkt, zu rügen, dass eine gewisse Passage nicht gesondert hervorgehoben worden sei. Vielmehr habe sie auf Formulierungen des Aufklärungsbogens verwiesen, die für eine Relativierung des Risikos sprechen könnten, wie "…Treten dennoch Komplikationen auf, können sich Störungen und Ausfälle im Laufe der Zeit wieder zurückbilden. Nur selten kommt es zu schweren bleibenden Störungen." In Anbetracht der Tatsache, dass laut Sachverständigem bei etwa der Hälfte der Patienten neurologische Defizite aufträten, meldeten die Bundesrichter Bedenken an, ob hier von einer zutreffenden Risikobeschreibung auszugehen ist. Unter den Tisch gefallen sei auch die Behauptung der Frau, der Arzt habe eine Rückbildung schlaganfallähnlicher Symptome angekündigt.

BGH, Beschluss vom 16.08.2022 - VI ZR 342/21

Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 25. Oktober 2022.