Mitteilungspflichten beim vorbereiteten strafrechtlichen Deal

Werden im Strafverfahren Verständigungsgespräche geführt, die aber wegen Aussetzung des Verfahrens nicht zu einem Abschluss kommen, müssen deren Inhalte in der Hauptverhandlung mitgeteilt werden. Der bloße Hinweis auf frühere Gespräche genügt dem Bundesgerichtshof nicht. Der Sinn der Mitteilungspflicht könne nicht davon abhängen, ob sich die Besetzung des Gerichts geändert habe.

Nach Verständigungsgesprächen Verfahren ausgesetzt

In einem Strafverfahren um 20 Fälle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und Steuerhinterziehung überlegten die Verfahrensbeteiligten außerhalb der Hauptverhandlung, ob man sich verständigen könne. Über den Inhalt des Gesprächs fertigte der Vorsitzende der Strafkammer einen Vermerk an. In der Hauptverhandlung schlug das Landgericht Frankfurt am Main am ersten Hauptverhandlungstag eine Verfahrensabsprache nach § 257c StPO vor, wonach gegen ein Geständnis der Angeklagten Strafen im bewährungsfähigen Bereich zu erwarten seien. Die mutmaßlichen Täter wurden ordnungsgemäß belehrt und die Verhandlung vertagt, um den Verfahrensbeteiligten Bedenkzeit einzuräumen. Wegen Erkrankung des Vorsitzenden Richters musste das Verfahren dann aber ausgesetzt werden. Der neue Vorsitzende erklärte in der Hauptverhandlung, es habe keine Verständigung gegeben und – soweit es frühere Verständigungsgespräche gegeben habe – bestehe keine Bindungswirkung diesbezüglich. Den Inhalt dieser Verständigungsgespräche teilte er nicht mit. Die beiden Angeklagten wurden zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt und die Einziehung von rund 96.000 Euro angeordnet. Sie erhoben die Revision zum Bundesgerichtshof – mit Erfolg. Die Revision der Einziehungsbeteiligten hingegen wurde zurückgewiesen.

Verletzung der Mitteilungspflicht gegeben

Der 1. Strafsenat hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück. Indem der Vorsitzende den Inhalt der Verständigungsgespräche in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt habe, habe er gegen die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO verstoßen. Der bloße Hinweis auf frühere Gespräche genüge nicht, auch wenn das Verfahren ausgesetzt worden war. Der BGH betonte, der Zweck der Norm, die Angeklagten und die Öffentlichkeit von allen verständigungsbezogenen Erörterungen zu informieren, könne nicht davon abhängen, ob sich die Besetzung des Gerichts geändert habe. Ein Urteil beruhe regelmäßig auf Verstößen gegen die Mitteilungspflicht, zumal sich die Angeklagten hier nur teilweise oder gar nicht eingelassen hätten.

Revision gegen Einziehungsentscheidung unbegründet

Die Revision der Einziehungsbeteiligten (keine Beschuldigte, aber von der Einziehung betroffen) hat der BGH hingegen zurückgewiesen. Soweit sie ebenfalls die Verletzung der Mitteilungspflicht rügten, könne sie schon nicht betroffen sein, weil die Verständigung sich nicht auf die Einziehungssumme bezog. Die Einziehungsentscheidung folge zwingend dem Schuldspruch und könne nicht Teil von Verfahrensabsprachen sein. Die Verfahrensrüge kann sich laut den Karlsruher Richtern daher nur auf den Schuldspruch im Sinne des § 431 StPO beziehen.

BGH, Beschluss vom 04.04.2023 - 1 StR 455/22

Redaktion beck-aktuell, 15. Mai 2023.