In einem Park kommt es zu einem nächtlichen Streit zwischen zwei Bekannten. Einer der Männer verlässt die Grünanlage – nur um kurz darauf mit zwei Begleitern wiederzukommen, um sich an seinem Bekannten wegen der Verbalattacke zu rächen. Jeweils mit einem Messer bewaffnet greifen die drei den Bekannten an. Der eine Streithahn sticht seinen Bekannten mit einer mindestens 20 Zentimeter langen Klinge ins Bein. Seine Begleiter stechen auch auf den Oberkörper des Opfers ein.
Allen drei Angreifern war dabei nach den Feststellungen des LG bewusst, dass ihre Messerstiche potentiell lebensgefährliche Verletzungen hervorrufen konnten. Tatsächlich befand sich das Opfer infolge der Stichverletzungen akut in Lebensgefahr, starb aber nicht.
"Nur" gefährliche Körperverletzung oder auch versuchte Tötung?
Wie nun aber hat sich der Mann, der lediglich in das Bein seines Bekannten gestochen hat, strafbar gemacht? Das LG erkannte auf gefährliche Körperverletzung und nahm die Varianten der gemeinschaftlichen Begehung, der Verletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs und der lebensgefährdenden Behandlung sowie – aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses der Angreifer – eine mittäterschaftliche Tatbegehung an. Einen Tötungsvorsatz schloss es aus – unter anderem wegen der Spontanität der Tat und des Messerstichs lediglich in die Beinregion.
Das als Nebenkläger auftretende Opfer der Messerattacke sah dies anders und legte erfolgreich Revision ein. Der BGH attestierte dem LG Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes (Urteil vom 24.04.2024 – 5 StR 510/23). Die Strafkammer habe aus dem Blick verloren, dass es sich bei dem Stich in den Oberschenkel schon für sich genommen um eine äußerst gefährliche Gewalthandlung gehandelt haben könnte – schließlich sei "das Messer auf einer Seite [des Schenkels] hinein- und auf der anderen Seite wieder herausgekommen", wie der Angegriffene laut LG glaubhaft angegeben habe.
Lebensgefährliche Stiche der Begleiter möglicherweise zurechenbar
In diesem Zusammenhang hätte das LG zudem berücksichtigen müssen, dass die Stiche, die seine Begleiter in Richtung des Brustkorbes des Opfers ausgeführt haben, dem Angeklagten zuzurechnen sein könnten. Angesichts des gemeinsamen Zustürmens auf den Nebenkläger und des vorhersehbar dynamischen und unübersichtlichen Kampfgeschehens hätte das LG die Frage erörtern müssen, ob der Mann derart lebensgefährliche Handlungen seiner Begleiter billigend in Kauf genommen hat. Anlass dazu habe umso mehr bestanden, als das LG zur angenommenen Mittäterschaft ausgeführt habe, dass die Angreifer aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses handelten und ihr Opfer mit Messern verletzen wollten.
Der BGH kritisiert auch, dass das LG von einer Spontantat ausging und dies vorsatzkritisch berücksichtigte – habe es doch außer Acht gelassen, dass der Angeklagte erst etwa 15 bis 30 Minuten nach Verlassen des Parks bewaffnet zurückkehrte.
Nicht auszuschließen sei, dass die Strafkammer ohne die Rechtsfehler von einem Tötungsvorsatz ausgegangen wäre. Die Sache sei aber nicht entscheidungsreif und daher zurückzuverweisen. Der BGH könne nicht entscheiden, ob von einer Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts gleichwohl abzusehen sein könnte, weil ein strafbefreiender Rücktritt anzunehmen wäre. Es fehlten Feststellungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten.