Mehrfacher Antrag auf Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung
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Wer für die Berufungsbegründung länger braucht, dem kann das Gericht die Frist zur Einreichung der Schrift bis zu einem Monat ohne Einwilligung des Gegners bewilligen. Dabei hält es der Bundesgerichtshof für unwichtig, ob die Partei die Monatsfrist mit einem Mal oder in mehreren Anträgen hintereinander ausschöpft. 

Wegen akuter Krankheit Berufungsbegründungsfrist verpasst

Die Klägerin verklagte ihre Vermieterin auf Schadensersatz in Höhe von rund 3.800 Euro. Vor dem Amtsgericht Erlangen unterlag sie und legte Berufung ein. Ihr Prozessbevollmächtigter, der in einer Anwaltssozietät beschäftigt war, beantragte die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis "zum 6.7.2021", wobei er die Monatsfrist um zwei Tage unterschritt. Zwei Tage vor Ablauf der Verlängerung erkrankte der Rechtsanwalt akut und musste ins Krankenhaus. Der kanzleiintern nun zuständige Anwalt beantragte am Tag des Fristablaufs eine weitere Verlängerung der Frist um vier Wochen. Er teilte mit, dass die Einwilligung des Gegners nicht vorliege. Der Gegenanwalt hatte ihm bei einem Telefonat gesagt, dass er nicht ausdrücklich zustimmen werde. Auch die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung sei noch nicht erteilt worden. Das Landgericht Nürnberg-Fürth holte die Stellungnahme des Gegners ein, der das Anliegen in das Ermessen des Gerichts stellte, gab dann dem Antrag bis zum 08.07.2021 statt und lehnte ihn darüber hinaus ab. Die Berufungsbegründung ging beim Gericht am 27.07.2021 mitsamt einem Wiedereinsetzungsantrag ein. Das Landgericht lehnte den Antrag ab und verwarf die Berufung als unzulässig. Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof war nicht erfolgreich.

Säumnis war verschuldet

Die Bundesrichter bestätigten die Entscheidung der Vorinstanz vollumfänglich: Der Vertreter des Prozessbevollmächtigten habe – bei sorgfältigem Arbeiten – erkennen müssen, dass er bis zum Ablauf der Monatsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO vier volle Tage Zeit hatte, um die Berufung zu begründen. Der Klägerin war dem BGH zufolge auch das Verhalten des vertretenden Anwalts nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbar.

Einwilligung des Gegners nur über einen Monat hinaus erforderlich

Da der Gegner seine Einwilligung nach § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht erteilt hatte, war laut den Karlsruher Richtern eine weitere Verlängerung über den 08.07.2021 hinaus ausgeschlossen. Sie stellten auf den Wortlaut des § 520 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO ab: Danach kann die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat verlängert werden, für eine Verlängerung über diesen Monat hinaus benötigt die Partei die Einwilligung des Gegners. Da der erste Verlängerungsantrag den Monat nicht voll ausgeschöpft hatte, hätte das Gericht auf den zweiten Antrag noch die zwei Tage bis dahin bewilligen können. Da er aber gewusst habe, dass der Gegner einer weiteren Verlängerung nicht zugestimmt hatte, habe der Vertreter des Prozessbevollmächtigten nicht darauf vertrauen können, dass seinem Verlängerungsantrag in vollem Umfang stattgegeben wird. Der BGH lehnte es ab, danach zu differenzieren, ob es sich um den ersten oder um den zweiten Antrag handelte, er stellte allein auf den Monatszeitraum ab. Weder der Gesetzestext noch der Sinn und Zweck der Norm sprächen gegen diese Auslegung.

Deckungszusage unerheblich

Auch das Argument, die Klägerin habe ihr Rechtsmittel von der Zusage der Rechtsschutzversicherung abhängig machen wollen und die Deckungszusage sei erst Ende Juli gekommen, vermochte es nicht, den BGH umzustimmen. Das vorläufige Fehlen der Zusage begründe grundsätzlich keinerlei Wiedereinsetzungsgrund nach § 233 ZPO. Davon abgesehen, dass die Kanzlei – zum Beispiel mit Setzen einer Vorfrist – dafür hätte sorgen können, dass die Deckung rechtzeitig vorliege, habe die Klägerin keine Mittellosigkeit geltend gemacht. 

BGH, Beschluss vom 07.02.2023 - VIII ZB 55/21

Redaktion beck-aktuell, 3. April 2023.