Anforderungen an Berufungsbegründung in Massenverfahren
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Auch in Massenverfahren sind Mindestanforderungen an die Berufungsbegründung zu stellen: Der Bundesgerichtshof fordert unter anderem, dass zumindest erkennbar sein muss, in welchen Punkten das erstinstanzliche Urteil angegriffen wird. Solange eine Auseinandersetzung mit der konkreten Entscheidung stattfinde, sei die Berufung zumindest zulässig. Allein die Verwendung vieler, auch unpassender, Textbausteine, könne die Berufung nicht unzulässig machen.

Massenklagen verarbeitet

Ein Mann verlangte Schadensersatz von einem Automobilhersteller, der in seinem Wagen eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut hatte. Das Landgericht Köln wies die Klage als unbegründet ab, weil der klägerische Vortrag weder Angaben zum verbauten Motorentyp noch zum Schädigungsvorsatz des Produzenten enthielt. Das Oberlandesgericht Köln wies die Berufung des Autofahrers als unzulässig ab, weil jeder Einzelfallbezug fehle und die Begründung sich nicht im Mindesten mit dem erstinstanzlichen Urteil befasse. Vielmehr habe der Kläger mithilfe vieler Textbausteine, abstrakter Darstellungen und formelhafter Wendungen Ausführungen zu hier irrelevanten Gewährleistungsansprüchen gemacht. Hiergegen wandte sich der Autokäufer mit der Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof - mit Erfolg.

Angriffspunkte gerade noch erkennbar

Der BGH teilte zwar die Bedenken des OLG, wonach die Berufungsbegründung erkennen lasse, dass es sich hier um einen Massenschriftsatz handele, bei dem der Verfasser den Kläger so manches Mal zu einer Klägerin mutieren lasse. Insofern sei der Schriftsatz nicht mit guter anwaltlicher Sorgfalt angefertigt worden, aber er sei noch ausreichend. Zum Beispiel gebe er die vorher vermisste Typenbezeichnung des verbauten Motors an und trage zum Schädigungsvorsatz der Beklagten vor. Damit macht er dem III. Zivilsenat zufolge deutlich, dass er deliktische Ansprüche verfolgt. Nach Ansicht der Karlsruher Richter genügen diese Angaben den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Ob dies ausreiche, um der Berufung zum Erfolg zu verhelfen, sei dahingegen eine Frage der Begründetheit. Der BGH verwies die Sache daher zurück.

In anderem Dieselfall Rechtsbeschwerde abgewiesen

In der ebenfalls am 31.08.2021 veröffentlichten Sache VII ZB 4/21 hat der BGH die Rechtsbeschwerde hingegen zurückgewiesen: In diesem Fall hatte die Berufungsbegründung auf die landgerichtliche Rüge hin, der Kläger habe nichts zur Kausalität seines Schadens durch den verbauten Motor gesagt, ohne weiteren Vortrag pauschal auf ein vorangegangenes BGH-Urteil verwiesen. Das genügte dem VII. Zivilsenat im Hinblick auf § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht, weil der Sachverhalt im zitierten Urteil ein anderer war und aus der Berufungsbegründung nicht hervorging, welche konkreten richterlichen Würdigungen des Landgerichts nun angegriffen werden sollten. Die Abweisung der Berufung als unzulässig durch das Oberlandesgericht Hamm fand daher die Billigung der Karlsruher Richter.

BGH, Beschluss vom 05.08.2021 - III ZB 46/20

Redaktion beck-aktuell, 31. August 2021.