Zwei Jungen in Potsdam und Berlin ermordet
Nach den Feststellungen des LG Potsdam entführte der Angeklagte am 08.07.2015 in Potsdam einen sechsjährigen Jungen. Danach vergewaltigte und erstickte er ihn. Die Leiche vergrub er in seinem Gartengrundstück in Luckenwalde. Am 01.10.2015 entführte er auf dem Gelände des Landesamts für Gesundheit und Soziales ("LaGeSo") in Berlin-Moabit den vierjährigen Sohn einer Asylbewerberin. Er verbrachte ihn in seine Wohnung, missbrauchte ihn sexuell und erwürgte ihn.
LG ordnete keine Sicherungsverwahrung an
Das LG hatte den heute 34-jährigen Angeklagten wegen Mordes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Entziehung Minderjähriger, Freiheitsberaubung mit Todesfolge und Körperverletzung, in einem Fall in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes und Vergewaltigung, im anderen Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Sicherungsverwahrung hat es jedoch nicht angeordnet.
BGH: Lebenslange Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung dürfen kumulativ verhängt werden
Der Fünfte Strafsenat des BGH hat das – nach Verwerfung der Revision des Angeklagten im Beschlusswege im Übrigen bereits rechtskräftige – Urteil jetzt aufgehoben, soweit das LG Potsdam von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung sei vom Gesetzgeber neben lebenslanger Freiheitsstrafe im Jahr 2002 ausdrücklich zugelassen worden. Das gelte auch für die hier in Frage stehende Ermessensanordnung (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB). Die Novellierung des Rechts der Sicherungsverwahrung im Jahr 2013 habe daran nichts geändert. Vielmehr sprächen nach neuem Recht weitere Gesichtspunkte dafür, dass lebenslange Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung kumulativ verhängt beziehungsweise angeordnet werden dürfen. Unter anderem werde nunmehr einem zu Freiheitsstrafe Verurteilten bei zusätzlicher Anordnung der Sicherungsverwahrung bereits im Strafvollzug besondere Betreuung gewährt (§ 66c Abs. 2, 1 Nr. 1 StGB). Es liege nahe, dass der Gesetzgeber dieses Betreuungsangebot auch zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten nicht habe vorenthalten wollen, bei denen ein Hang zur Begehung erheblicher Straftaten festgestellt ist. Entsprechendes gelte für die durch § 67a Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 StGB ermöglichte nachträgliche Überweisung eines Verurteilten, bei dem zugleich Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, bereits aus dem Strafvollzug in eine Maßregel nach § 63 StGB (Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus) oder § 64 StGB (Unterbringung in der Entziehungsanstalt).
Ursache des Hangs zur Begehung erheblicher Straftaten irrelevant
Die Entscheidung des LG, von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abzusehen, habe keinen Bestand. Denn die Schwurgerichtskammer habe einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Der BGH moniert, das das Gericht in den Urteilsgründen für die Annahme des Merkmals des Hangs zur Begehung erheblicher Straftaten (§ 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB) zu Unrecht einen symptomatischen Zusammenhang zwischen einer bei dem Angeklagten vorliegenden Persönlichkeitsstörung und den von ihm begangenen Straftaten vorausgesetzt hat. Ein solcher sei nicht erforderlich, weil es nach der Gesetzesfassung auf die Ursache des Hangs nicht ankomme. Darüber hinaus seien in die landgerichtliche Gesamtwürdigung zum Tatbestandsmerkmal des Hangs nicht alle relevanten Faktoren eingestellt worden. Die Sache bedürfe danach allein zur Frage der Sicherungsverwahrung neuer Verhandlung und Entscheidung.