Erschießung nächtlichen Einbrechers neu zu verhandeln

Der Fall um die Erschießung eines nächtlichen Einbrechers muss neu verhandelt und entschieden werden. Dies hat der in Leipzig ansässige Fünfte Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf die Revision des Angeklagten entschieden. Das Urteil des Landgerichts Lübeck, das eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren wegen Totschlags vorsah, hob der BGH auf. Er rügt unter anderem, dass das LG wegen des planvollen Vorgehens des Angeklagten die Voraussetzungen des § 33 StGB (Überschreitung der Notwehr) nicht geprüft hat.

Einbrecher auf der Flucht erschossen

Nach den Feststellungen des LG brachen zwei Freunde in der Nacht vom 29. auf den 30.12.2020 in ein vermeintlich leerstehendes, verwahrlostes Haus ein. Dort lebte der alkoholabhängige Angeklagte, ein ehemaliger Unteroffizier der Bundeswehr, sozial völlig zurückgezogen in mit Müll und Unrat vollgestellter Umgebung. Der Angeklagte, der in seinem Haus auch Schusswaffen und Munition aufbewahrte, war nach zwei Tagen Alkoholentzuges noch wach und überraschte die Einbrecher gegen 3.30 Uhr. Als sie flohen, setzte er nach und schoss einem der beiden dreimal in den Rücken, wodurch dieser später verstarb.

LG entscheidet gegen Gutachten

Das LG war entgegen der Auffassung der psychiatrischen Sachverständigen von einer uneingeschränkt erhalten gebliebenen Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausgegangen, hat eine Rechtfertigung wegen Notwehr verneint und die Voraussetzungen des § 33 StGB wegen des planvollen Vorgehens des Angeklagten nicht geprüft.

BGH rügt Prüfung der Schuldfähigkeit

Der BGH hat die Prüfung der Schuldfähigkeit beanstandet, weil sich das Landgericht nicht rechtsfehlerfrei mit der Diagnose der Sachverständigen auseinandergesetzt hat, wonach der Angeklagte an einer alkoholbedingten organischen Wesensveränderung (krankhafte seelische Störung) leide, die sich auch durch Verminderung hemmender psychischer Mechanismen auszeichne. Zudem habe das LG die Auswirkungen des zweitägigen Entzuges nicht berücksichtigt. Diese Mängel schlügen auf den Schuldspruch durch, weil eine Neubewertung der psychischen Verfasstheit des Angeklagten auch zu einer neuen Prüfung von § 33 StGB Anlass geben kann, so der BGH.

BGH, Beschluss vom 13.05.2022 - 5 StR 99/22

Gitta Kharraz, Redaktion beck-aktuell, 1. Juni 2022.