OLG verurteilte Zschäpe als Mittäterin
Das Mammutverfahren um die Morde und Anschläge der Neonazi-Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) war am 11.07.2018 nach mehr als fünf Jahren und über 400 Verhandlungstagen zu Ende gegangen. Das Oberlandesgericht München verurteilte damals Beate Zschäpe, die einzige Überlebende des Trios, als Mittäterin zu lebenslanger Haft – auch wenn es keinen Beweis gibt, dass sie selbst an einem der Tatorte war. Außerdem stellten die Richter die besondere Schwere der Schuld fest. Das schriftliche Urteil liegt seit Ende April 2020 vor, es ist 3.025 Seiten lang.
Zschäpe und Mitangeklagte legten Revision ein
Die 46-Jährige hat das Urteil nicht akzeptiert. Ihre Revision und die Revisionen dreier Mitangeklagter liegen dem zuständigen 3. Strafsenat des BGH seit Januar vor. Die Bundesanwaltschaft, die die Anklage geführt hatte, ficht das Urteil gegen André E. an, das überraschend milde ausgefallen war. Eine fünfte Verurteilung ist rechtskräftig. Zschäpe hatte fast 14 Jahre mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordeten die Männer acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. 2011 nahmen sie sich das Leben, um der drohenden Festnahme zu entgehen. Zschäpe zündete die gemeinsame Wohnung an, verschickte ein Bekennervideo und stellte sich. Ralf W. war als Waffenbeschaffer des NSU-Trios wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Holger G. und André E. wurden von den OLG-Richtern wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu drei Jahren und zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Anders als Zschäpe, die in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz inhaftiert ist, sind sie derzeit auf freiem Fuß.
Bundesanwaltschaft hält Urteil gegen André E. für zu mild
Die Bundesanwaltschaft hatte eine Verurteilung von André E. wegen Beihilfe zum versuchten Mord angestrebt. Er soll ein Wohnmobil angemietet haben, mit dem die Täter für einen Bombenanschlag nach Köln fuhren. Im Januar hatte der BGH noch offen gelassen, ob es eine Hauptverhandlung geben wird. Das ist nur bei etwa 5% aller Revisionen der Fall. Unter bestimmten Bedingungen können die Richterinnen und Richter auch schriftlich per Beschluss entscheiden – nämlich dann, wenn sie eine Revision für unzulässig oder offensichtlich unbegründet halten. Gleiches gilt, wenn der Senat die Revision zugunsten eines Angeklagten einstimmig für begründet hält.
Carsten S. zog Revision zurück
Der fünfte Angeklagte, Carsten S., hatte seine Revision zurückgezogen. Er ist seit Mitte 2020 frei, nachdem der Rest seiner dreijährigen Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte gestanden, dem NSU die "Ceska"-Pistole übergeben zu haben, mit der später neun Morde begangen wurden, und war wegen Beihilfe verurteilt worden. Nur in seinem Fall hatte sich der BGH bisher geäußert und im März mitgeteilt, dass S. zu Recht auferlegt wurde, die Kosten des Verfahrens und die Auslagen der Nebenkläger anteilig mitzutragen.