Krank auf der Fahrt zum Gericht: Anwältin muss konkret vortragen
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© Monika Wisniewska / Adobe Stock

Sich kurz zu fassen, kann eine Tugend sein. Bei der Erklärung, warum kein Anwaltsverschulden vorliegt, können fehlende Details aber gefährlich werden, wie ein am Freitag veröffentlichter Beschluss des BGH zu einem versäumten Gerichtstermin in einer Familiensache zeigt. 

Besondere Brisanz bekam der Fall dadurch, dass zwei Versäumnisbeschlüsse ergingen. Schon beim ersten Termin waren einem Mann ohne Gegenwehr 44.000 Euro zugesprochen worden, da niemand für seine getrennt lebende Ehefrau erschienen war. Nachdem sie Einspruch eingelegt hatte, sollte es am 23. November 2022 um 10.00 Uhr beim AG Frankfurt (Oder) erneut losgehen. Obwohl das Familiengericht die Sachen mehrfach aufrief und insgesamt bis um 10:55 Uhr wartete, war nur der Anwalt des Ehemanns vor Ort.

Die Beschwerde der Ehefrau gegen den daraufhin ergangenen zweiten Versäumnisbeschluss blieb ohne Erfolg: Der Vortrag der Anwältin der Frau belege nicht, dass sie den Termin unverschuldet versäumt habe. Selbst bei einer kurzfristigen Erkrankung hätte die Anwältin alles Mögliche unternehmen müssen, um eine Absage oder Verlegung der Verhandlung zu erreichen.

Die Rechtsanwältin hatte ihr Fehlen so erklärt: Sie sei "rechtzeitig in Berlin losgefahren, um den Termin in Frankfurt (Oder) wahrnehmen zu können. Auf der Fahrt habe sie "schubweise schwere krampfhafte Zustände verbunden mit Brechreiz und Durchfall bekommen" und die Reise für etwa zwei Stunden unterbrechen müssen. Sie habe "mehrfach" erfolglos versucht "das Amtsgericht vor 10.00 Uhr telefonisch zu erreichen". "Zwischenzeitlich" habe ihre Mitarbeiterin es auch versucht und schließlich die "Vermittlung" des Gerichts erreicht. Diese habe ihre Angestellte mit der Richterin verbunden, jedoch sei die Verhandlung zu diesem Zeitpunkt schon vorbei gewesen.

BGH: Welche Anrufe gab es vor 10.00 Uhr?

Zwar konkretisierte die Anwältin dies später noch dadurch, dass sie angab, Berlin um 7.15 Uhr verlassen und die Fahrt gegen 9.00 Uhr auf dem Parkplatz Briesenluch unterbrochen zu haben. Doch dem Familiensenat des BGH (Beschluss vom 24.01.2024 – XII ZB 171/23) genügte auch dies nicht, um die wirklich relevante Frage zu beantworten: Welche Anrufe gab es in der Stunde zwischen dem Abbruch der Fahrt und dem Aufruf des Termins? Aufgrund dieser fehlenden Angaben konnten die Karlsruher Richterinnen und Richter beispielsweise nicht überprüfen, ob gegebenenfalls eine falsche Nummer gewählt worden war oder die Advokatin möglicherweise erst kurz vor Aufruf der Sache versucht hatte, das Gericht zu erreichen. Beide Umstände hätten für ein Verschulden gesprochen.

Der – letztlich erfolgreiche – Anruf der Mitarbeiterin half ihr ebenfalls nicht. Es sei ungeklärt, wann diese zuerst versucht habe, das Gericht zu erreichen. Die Angaben, so der BGH, ließen aber eher vermuten, dass die Angestellte erst nach zehn Uhr alarmiert worden sei.

BGH, Beschluss vom 24.01.2024 - XII ZB 171/23

Redaktion beck-aktuell, Michael Dollmann, 1. März 2024.