Zwölfjährige verfing sich am Seil einer Boje
Die seinerzeit zwölfjährige Klägerin macht gegen die beklagte Gemeinde Schadensersatz wegen eines Badeunfalls in einem kommunalen Freibad geltend. Sie verfing sich unter Wasser mit einem Arm in dem Befestigungsseil einer Boje, die Teil der Markierung des Übergangs zwischen zwei Schwimmbereichen war. Nachdem die Badeaufsicht bemerkt hatte, dass die Boje abgesenkt war, befragte sie zunächst zwei Kinder, ob sie das Befestigungsseil verknotet hatten, was diese verneinten. Daraufhin bat die Aufsichtsperson einen 13 oder 14 Jahre alten Jungen, zu der Boje zu schwimmen und nach der Ursache der Absenkung zu schauen. Als dieser nur "etwas Glitschiges" feststellen konnte – das Wasser war trübe, weil es sich um ein naturnahes Bad handelte – holte einer der beiden Bademeister zunächst seine Schwimmbrille im Gerätehaus, begab sich sodann ebenfalls in das Wasser, überprüfte die Boje und fand die leblose Klägerin unter Wasser vor.
Berufungsgericht wies Klage zurück
Er befreite sie aus dem Befestigungsseil und verbrachte sie an Land, wo sie reanimiert wurde. Aufgrund des Sauerstoffentzugs erlitt die Klägerin massive, irreparable Hirnschädigungen. Sie ist infolgedessen schwerstbehindert und wird zeitlebens pflegebedürftig bleiben. Die durch ihre Eltern vertretene Klägerin hat behauptet, bei pflichtgemäßem Handeln der Badeaufsicht hätte dieser nach ein bis zwei Minuten auffallen müssen, dass die Boje abgesenkt war. Eine sofort eingeleitete Rettung hätte innerhalb von einer Minute erfolgen können. Bei entsprechendem Verhalten der Bademeister wären die eingetretenen Schäden vermieden worden. Ihre Rettung sei jedoch um mindestens drei Minuten verzögert worden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass ihre Gesundheitsschäden bei einer um drei Minuten schnelleren Bergung nicht eingetreten wären.
BGH hebt Urteil auf
Das Berufungsgericht hat das Urteil nunmehr aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Vorinstanz habe fehlerhaft allein auf die von der Klägerin behauptete Verzögerung ihrer Rettung abgestellt. Richtigerweise hätte geprüft werden müssen, wie lange es bei pflichtgemäßem Verhalten gedauert hätte, die Klägerin zu retten und ob bei Einhaltung dieser Zeit die Gesundheitsschäden vermieden worden wären.
Pflichten einer Badeaufsicht
In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof die Pflichten der Badeaufsicht wie folgt konkretisiert. Zwar bestehe keine Verpflichtung zur lückenlosen Beobachtung eines jeden Schwimmers. Die Schwimmaufsicht sei jedoch verpflichtet, den Badebetrieb und damit auch das Geschehen im Wasser fortlaufend zu beobachten und mit regelmäßigen Kontrollblicken daraufhin zu überwachen, ob Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten. Dabei sei der Beobachtungsort so zu wählen, dass der gesamte Schwimm- und Sprungbereich überwacht werden könne, was gegebenenfalls häufigere Standortwechsel erfordere. Zu den Aufgaben der Aufsichtspersonen in einem Schwimmbad gehöre es weiter, in Notfällen für rasche und wirksame Hilfeleistung zu sorgen.
Berufungsgericht muss Beweislastumkehr prüfen
Das Berufungsgericht habe zu prüfen, wie lange es unter Beachtung dieser Kriterien gedauert hätte, die Notlage der Klägerin zu erkennen und sie zu retten. Weiterhin sei festzustellen, ob die eingetretenen Hirnschäden der Klägerin vermieden worden wären, wenn ihre Rettung innerhalb dieser Zeit erfolgt wäre. Für den Fall, dass sich dies nicht beweisen lasse, gehe das nicht zum Nachteil der Klägerin, sondern zum Nachteil der Beklagten, sofern das Berufungsgericht das Verhalten der Badeaufsicht als grob fahrlässig bewerte. Wie im Arzthaftungsrecht seien vorliegend die Regeln der Beweislastumkehr anwendbar. Die Verletzung der Schutzpflichten der Schwimmaufsicht sei, wenn ein Badegast einen Gesundheitsschaden erleide dazu geeignet, aufgrund der komplexen, im Nachhinein nicht mehr exakt rekonstruierbaren Vorgänge im menschlichen Organismus erhebliche Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineinzutragen, sodass dem Geschädigten im Fall grober Pflichtverletzung die regelmäßige Beweislastverteilung nicht zuzumuten sei.