"Kokstaxi": Täterschaft oder Teilnahme am illegalen Betäubungsmittelhandel?
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Ein Drogenkurier macht sich in der Regel nur der Beihilfe zum Betäubungsmittelhandel schuldig. Der Bundesgerichtshof betonte einmal mehr, dass eine Verurteilung wegen Täterschaft nur dann möglich ist, wenn er eine über den Transport hinausgehende Tätigkeit entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am Geschäft – etwa eine Umsatzbeteiligung – hat.

Drogenlieferant landet an einer Hauswand

Ein Mann betrieb in einer Septembernacht 2020 einen Lieferservice für Betäubungsmittel. Im Auto befand sich ein Mobilfunktelefon, womit er aus einer bestimmten voreingestellten Chatgruppe die Art, Menge und den Lieferort der Drogen entnahm. Im Handschuhfach lagen mindestens 15 Eppendorfgefäße (verschließbare Plastikhütchen, die man auch in SARS CoV-2 Schnelltests findet), in denen Kokain und Cannabis in nicht geringer Menge aufbewahrt wurden. Da der Kurier zu schnell unterwegs war, fiel er einer Polizeistreife auf. Bei der sich anschließenden Verfolgungsjagd überfuhr er mit überhöhter Geschwindigkeit eine rote Ampel auf dem Radweg, um dann mit mindestens 90 km/h in den Bereich der nächsten Kreuzung einzufahren und dort links abzubiegen. Der Wagen brach aus und prallte gegen eine Hauswand, die erheblich beschädigt wurde. Bei seiner Festnahme wurde festgestellt, dass der Unfallfahrer keine Fahrerlaubnis hatte und alkoholbedingt fahruntüchtig war. Das Landgericht Berlin verurteilte ihn unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten. Dagegen erhob der Fahrer Revision zum Bundesgerichtshof – mit eher mäßigem Erfolg.

Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme am Drogenhandel

Der 4. Strafsenat hob den Schuldspruch wegen Betäubungsmittelhandels auf: Dass der Kurierfahrer täterschaftlich beim Verkauf der Drogen handelte, sei den Feststellungen des Urteils nicht zu entnehmen. Er sei nur wegen Beihilfe zu bestrafen, weil ihm nur die Lieferung zur Last gelegt werden könne. Eine andere Bewertung kommt dem BGH zufolge nur dann in Betracht, wenn er eine über den Transport hinausgehende Tätigkeit entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am Gesamtgeschäft – etwa eine Umsatzbeteiligung – hat. Hier sahen die Karlsruher Richter keinerlei Anlass, ein solches anzunehmen.

Sachbeschädigung und Fahren ohne Fahrerlaubnis

Der 4. Strafsenat hob auch den Schuldspruch wegen Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB auf: Dieses Delikt kann nur vorsätzlich begangen werden. Der Schaden an der Hauswand sei nicht vorsätzlich, sondern durch ein Unfall herbeigeführt worden. Dem Fahrer sei es darauf angekommen, der Polizei zu entkommen; einen Schaden habe er gerade verhindern wollen. Das Gericht ergänzte das Urteil noch um den Schuldspruch des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, dessen Ausspruch das Landgericht wohl versehentlich versäumt hatte. Die Revisionsinstanz änderte das Urteil selbst nach § 354 Abs. 1 StPO, wobei sie den Strafausspruch unberührt ließ. Sie hielt es für ausgeschlossen, dass die Strafkammer auf eine mildere Strafe erkannt hätte, weil sich der wesentliche Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht ändere.

BGH, Beschluss vom 11.04.2022 - 4 StR 461/21

Redaktion beck-aktuell, 1. September 2022.