Knuspermüsli II – Auch wiederholende Kennzeichnung kann den Verbraucher verwirren
Lorem Ipsum
© Peter Endig / dpa

Macht ein Lebensmittelhersteller auf der Schmalseite der Produktverpackung richtige und vollständige Nährwertangaben, kann er sie zwar auf der Vorderseite wiederholen. Dabei darf er dem Bundesgerichtshof zufolge aber den Verbraucher nicht durch andere Bezugsgrößen verwirren. Die Karlsruher Richter nutzten die Gelegenheit, um ihre bisherige Rechtsprechung zu ändern: In Zukunft werden Verletzungen der Informationspflichten im kommerziellen Verkehr nur noch nach § 5a UWG – und nicht länger nach § 3a UWG bemessen.

Auf Verpackung des Knuspermüsli "Schoko + Keks" fehlen Informationen

Die Firma Dr. Oetker hatte auf einer Schmalseite ihrer Müsliverpackung alle gesetzlich erforderlichen Nährwertangaben gemacht – zum einen bezogen auf 100 Gramm des Müslis und zum anderen bezogen auf eine Portion der mit Milch zubereiteten Getreidemahlzeit. Auf der Vorderseite wiederholte sie die Angaben, aber nur bezogen auf das zubereitete Müsli. Dagegen wandte sich der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (vzbv), er bemängelte das Fehlen der Nährwertangaben hinsichtlich 100 Gramm des Produkts auf der Vorderseite. Nach erfolgloser Abmahnung wandte er sich an das Landgericht Bielefeld, dessen stattgebendes Urteil aber vom Oberlandesgericht Hamm wieder aufgehoben wurde. Die Verbraucherschützer erhoben erfolgreich die Revision zum Bundesgerichtshof, der den Müslihersteller nach einer Vorabentscheidung des EuGH zur Unterlassung dieser Praxis verurteilte.

Verletzung einer Informationspflicht in kommerzieller Kommunikation bemisst sich nach § 5a UWG

Entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung bemisst sich unlauteres Verhalten in Fällen der Informationsverletzung der Verbraucher in kommerzieller Kommunikation laut den Karlsruher Richtern nur nach § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG a.F. – nicht mehr nach § 3a UWG. Der BGH gab seine bisherige Ansicht auf, weil das Schutzniveau von § 5a UWG mit der Gewährung eines Schadensersatzanspruchs höher ist als das nach § 3a UWG, der nur mit dem Unterlassungsanspruch bewehrt ist. Ein Widerspruch zu Art. 11a der Richtlinie 2005/29/EG werde nur dann vermieden, wenn allein § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 zur Anwendung käme. Nur Informationspflichten nichtkommerzieller Art könnten in Zukunft nach § 3a UWG bemessen werden.

Fehlende Informationen auf der Vorderseite verwirren den Verbraucher

Der I. Zivilsenat ist mit dem Landgericht Bielefeld der Ansicht, dass den Verbrauchern auf der Vorderseite des Müslikartons entgegen § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG a.F. vorenthalten wird, wie hoch der Brennwert von 100 Gramm des Produkts ist. Nach Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) sei diese Angabe unabdingbar. Sie befinde sich zwar auf der Schmalseite der Verpackung, aber – entgegen Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 LMIV – nicht bei den wiederholenden Nährwertangaben auf der Vorderseite des Kartons. Das Fehlen dieser Information halten die Karlsruher Richter auch für erheblich, weil der Verbraucher durch die zusätzlichen Deklarationen mit anderen Referenzmengen als auf der Schmalseite verwirrt werden könnte und dadurch eine durch Fehlvorstellung geprägte Kaufentscheidung treffen könnte.

Keine Aufbrauchfrist für das Unternehmen

Dr. Oetker hatte hilfsweise beantragt, seine bereits im Handel befindlichen Produkte noch "aufbrauchen" zu können, um zu verhindern, dass das Müsli (nur) wegen der fehlerhaften Kennzeichnung zurückgenommen werden muss, was nach seinen Angaben einen Millionenschaden verursachen würde. Auch dieses Ansinnen wies der BGH zurück: In der Abwägung beiderseitiger Interessen spiele es eine erhebliche Rolle, dass der Lebensmittelhersteller erst im November 2021 begonnen habe, seine Kennzeichnung zu ändern. Bereits nach dem erstinstanzlichen Urteil im Juni 2020 hätte er aber damit rechnen können, dass er unterliege.

BGH, Urteil vom 07.04.2022 - I ZR 143/19

Redaktion beck-aktuell, 17. Mai 2022.