Klage auf künftige Räumung bei drohender Obdachlosigkeit

Die Besorgnis, der Mieter werde sich der Räumung seiner Wohnung entziehen, kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn er Widerspruch gegen die Kündigung mit der Begründung erhebt, dass seine mehrmonatige Suche nach Ersatzwohnraum bislang erfolglos geblieben ist und ihm Obdachlosigkeit droht. Nach den Umständen des Einzelfalls kann es für die Vermieter laut Bundesgerichtshof unzumutbar sein, mit der Anrufung des Gerichts bis zum Ablauf der gesetzten Kündigungsfrist abzuwarten.

Streit um die Kosten eines Räumungsrechtsstreits

Die Vermieter hatten dem beklagten Mieter die Wohnung wegen Eigenbedarfs zum 31.03.2021 gekündigt und streiten nun noch um die Kosten seiner Räumung. Der Mann widersprach der Kündigung Ende Januar 2021. Er sei zwar seit Erhalt des Schreibens auf Wohnungssuche, habe jedoch noch keinen Ersatz gefunden. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre er mit Beendigung des Mietverhältnisses obdachlos, so dass eine nicht zu rechtfertigende Härte nach § 574 Abs. 2 BGB vorliege. Die Kläger erhoben am 22.02.2021 Räumungsklage, die dem Mieter am 16.03.2021 zugestellt wurde. Am 30.03.2021 gab er an, zwischenzeitlich eine geeignete Wohnung gefunden zu haben. Die Parteien vereinbarten eine Rückgabe der Wohnung für den 31.03.2021, die dann auch stattfand. Daraufhin erklärten die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt und stellten widerstreitende Kostenanträge.

LG: Ausnahme des § 259 ZPO ist nicht anwendbar

Während das AG Lübeck dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO auferlegte, belastete das LG Lübeck die Kläger. Deren Räumungsklage sei im Zeitpunkt vor Eintritt des erledigenden Ereignisses - vor der am 31.03.2021 erfolgten Rückgabe der Wohnung - mangels fälligen Räumungsanspruchs unzulässig gewesen. Auf die Ausnahmebestimmung des § 259 ZPO (Klage auf künftige Leistung) hätten sie sich nicht berufen können. Der reine Widerspruch gegen die Kündigung rechtfertige für sich genommen nicht die Besorgnis, der Mieter werde sich der Räumungspflicht entziehen. Die Rechtsbeschwerde der Vermieter beim BGH hatte hingegen Erfolg.

Keine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Klagemöglichkeit des Vermieters

Der VIII. Zivilsenat verwies die Sache ans LG zurück. Es habe zu Unrecht angenommen, dass die reine Berufung auf eine fehlende Ersatzwohnung – ohne die Kündigung an sich anzuzweifeln – die Annahme der Gefahr einer Verweigerung der fristgerechten Räumung ausschließe. Vielmehr hätten die Kläger aufgrund seines Widerspruchsschreibens besorgen müssen, dieser werde bei Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.03.2021 nicht zum Auszug bereit sein. Damit sei er der Berechtigung der Kläger, von ihm zwei Monate später die Räumung und Herausgabe verlangen zu können, ausdrücklich entgegengetreten. Ob er aber nach siebenmonatiger Wohnungssuche noch rechtzeitig Ersatz finden würde, sei ungewiss. Unter diesen Umständen sei es den Klägern nicht zuzumuten gewesen, mit der Anrufung des Gerichts bis zum Ablauf der Kündigungsfrist abzuwarten. Die Karlsruher Richter monierten weiter, das LG habe bei seiner Ermessensentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO lediglich auf die - rechtsfehlerhaft angenommene - Unzulässigkeit der Räumungsklage abgestellt und eine weitergehende summarische Prüfung unterlassen. Darüber, und auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, müsse es nunmehr erneut entscheiden.

BGH, Beschluss vom 25.10.2022 - VIII ZB 58/21

Redaktion beck-aktuell, 29. November 2022.