Keine Zulassung als Rechtsanwalt für türkischen Oppositionellen

Ein türkischer Anwalt, der wegen Verdachts der Beteiligung an dem gescheiterten Putsch gegen Erdogan nach Deutschland floh, kann die Zulassung zur Anwaltschaft nicht bekommen, wenn er als Mitglied der türkischen Anwaltskammer gelöscht worden ist. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Ablehnung einer nordrhein-westfälischen Rechtsanwaltskammer, die ihn ohne Nachweis der türkischen berufsständischen Organisation nicht aufnehmen wollte.

In zwei Parallelverfahren bejahte der BGH im Rahmen einer umfangreichen verfassungsrechtlichen Prüfung auch die Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden BRAO-Normen.

Ein türkischer Rechtsanwalt (Avukat), der in der Türkei langjährig tätig gewesen war, geriet nach dem erfolglosen Putsch gegen Ministerpräsident Recep Erdogan 2016 in den Verdacht, Mitglied der Gülen-Bewegung zu sein, und floh mit seiner Familie nach Deutschland. Seine Mitgliedschaft als Anwalt und auch seine wohnrechtliche Anmeldung in der Türkei wurden von den dortigen Behörden gelöscht. Eine erneute Zulassung als Avukat setzt eine Anmeldung in der Türkei voraus. In Deutschland wurde er als Flüchtling (mit Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis) anerkannt, bekam aber kein Asyl. Er ließ sich im Rechtsdienstleistungsregister für ausländisches Recht – Türkei – eintragen.

2020 beantragte er die Aufnahme in eine Rechtsanwaltskammer in Nordrhein-Westfalen als türkischer Rechtsanwalt. Anderthalb Jahre später lehnte die Kammer ab, weil er keine Bescheinigung der türkischen Rechtsanwaltskammer über seine dortige Mitgliedschaft vorlegen konnte. Der Anwaltsgerichtshof Hamm bestätigte diese Entscheidung ebenso wie nun der Bundesgerichtshof, der auch in zwei gleichgelagerten Fällen so entschied (Az. AnwZ (Brfg) 23/22, im Parallelverfahren: AnwZ (Brfg) 24/22).

Nur ein zugelassener Rechtsanwalt bekommt die Zulassung

§§ 206 Abs. 1207 Abs. 1 BRAO verlangen ausdrücklich eine Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen Behörde über die Zugehörigkeit zum Anwaltsberuf. Da der Mann aus dem Register der türkischen Rechtsanwaltskammer gelöscht wurde, hat er das Recht, sich Avukat nennen zu dürfen, verloren, so der BGH.

Die Karlsruher Richter sehen auch keine Möglichkeit, §§ 206, 207 BRAO so auszulegen, dass ein Flüchtling privilegiert werden könnte. Der Wortlaut sei insoweit eindeutig, auch teleologisch kommt der BGH zu keinem anderen Ergebnis. Die Norm diene dem Schutz der Rechtssuchenden vor unqualifizierten Rechtsdienstleistenden. Der Nachweis über die Zugehörigkeit zum Anwaltsberuf ist laut dem Anwaltssenat Kern des gesetzlichen Regelungskonzepts. Ein anderer Wille des Gesetzgebers sei ebenfalls nicht erkennbar, denn dieser habe die Norm seither dreimal geändert, ohne diesen Teil anzurühren. Eine analoge Anwendung dergestalt, dass Personen, die dem Berufsstand zwar nicht (mehr) angehören, die aber über die Qualifikation über diesen Beruf verfügen, lehnen die Bundesrichter mangels planwidriger Regelungslücke ab.

BRAO-Normen sind auch nicht verfassungswidrig

Nach einer ausführlichen Prüfung bejaht der BGH auch die Verfassungsmäßigkeit der §§ 206 f. BRAO. So sei der ehemalige Avukat nicht in seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzt, weil dieser Artikel ein Deutschengrundrecht ist.

Ausländer könnten ihre Berufsfreiheit nur im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG geltend machen. Dessen Schutzbereich sei durch das Verbot, sich als Avukat in Deutschland niederzulassen, allerdings gar nicht erst eröffnet, da der Antragsteller gar kein Avukat mehr war.

Soweit der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit eröffnet ist (für Rechtsdienstleistungen im türkischen Recht und im Völkerrecht), hält der Anwaltssenat den Eingriff für gerechtfertigt. Insbesondere sei es nicht – wie von dem türkischen Juristen vorgeschlagen - zumutbar, den Nachweis der Kammer durch eine Prüfung über seine Eignung durch ein Gremium aus türkischen Anwälten zu ersetzen, weil das für die Kammern nicht leistbar und auch nicht praxistauglich sei.

Redaktion beck-aktuell, 18. Juli 2023.