BGH: Keine Un­voll­stän­dig­keit der Ver­brau­cher­infor­ma­ti­on wegen feh­len­der An­ga­ben zu nicht be­stehen­der Ga­ran­tie von Rück­kaufs­wer­ten

BGB §§ 147, 150 I, 812 I 1 Alt. 1, 242; VVG a.F. § 5a; VAG a.F. § 10a I 1

Hat der Ver­si­che­rer zu einer im Po­li­cen­mo­dell ge­schlos­se­nen Le­bens­ver­si­che­rung keine Rück­kaufs­wer­te in be­stimm­ter Höhe zu­ge­sagt, füh­ren feh­len­de An­ga­ben zu ga­ran­tier­ten Rück­kaufs­wer­ten nach einem Ur­teil des Bun­des­ge­richts­hofs auch dann nicht zur Un­voll­stän­dig­keit der Ver­brau­cher­infor­ma­ti­on, wenn der Ver­si­che­rer nicht an­ge­ge­ben hat, dass es im Hin­blick auf den ab­ge­schlos­se­nen Ver­trag an einer Ga­ran­tie von Rück­kaufs­wer­ten fehlt.

BGH, Ur­teil vom 11.12.2019 - IV ZR 8/19 (OLG Stutt­gart), BeckRS 2019, 34542

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Aus beck-fach­dienst Ver­si­che­rungs­recht 3/2020 vom 06.02.2020

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Sach­ver­halt

Die Klä­ge­rin for­dert von der Be­klag­ten aus un­ge­recht­fer­tig­ter Be­rei­che­rung die Rück­zah­lung ge­leis­te­ter Ver­si­che­rungs­bei­trä­ge und die Her­aus­ga­be von Nut­zun­gen aus einer im Jahr 2000 nach dem so­ge­nann­ten Po­li­cen­mo­dell des § 5a VVG a.F. ab­ge­schlos­se­nen Ren­ten­ver­si­che­rung mit To­des­fall­leis­tung. Die Klä­ge­rin kün­dig­te 2008 den Ver­trag und er­hielt den Rück­kaufs­wert aus­ge­zahlt. 2015 er­klär­te die Klä­ge­rin den Wi­der­spruch gegen den Ver­trags­schluss. Sie ar­gu­men­tiert, die Wi­der­spruchs­frist nach § 5a VVG a.F. sei wegen for­ma­ler und in­halt­li­cher Män­gel der Wi­der­spruchs­be­leh­rung sowie wegen Un­voll­stän­dig­keit der Ver­brau­cher­infor­ma­ti­on nicht in Gang ge­setzt wor­den.

Das Land­ge­richt wies die Klage ab, das OLG gab ihr ganz über­wie­gend statt. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten hob der BGH das OLG-Ur­teil auf und wies die Be­ru­fung der Klä­ge­rin ins­ge­samt zu­rück.

Recht­li­che Wer­tung

Die Klä­ge­rin sei bei Ver­trags­schluss nach den Fest­stel­lun­gen des OLG ord­nungs­ge­mäß über ihr Wi­der­spruchs­recht be­lehrt wor­den, meint der BGH. Sie habe den Wi­der­spruch auch nicht wegen Un­voll­stän­dig­keit der ihr er­teil­ten Ver­brau­cher­infor­ma­ti­on hin­sicht­lich des Rück­kaufs­wer­tes wirk­sam er­klä­ren kön­nen.

Die Ver­brau­cher­infor­ma­ti­on sei ent­ge­gen der Auf­fas­sung des OLG nicht des­halb un­voll­stän­dig, weil eine An­ga­be dazu fehl­te, ob und in wel­chem Um­fang Rück­kaufs­wer­te über­haupt ga­ran­tiert wur­den. Zu der not­wen­di­gen Ver­brau­cher­infor­ma­ti­on nach § 10a Abs. 1 VAG a.F. ge­hör­ten bei Le­bens­ver­si­che­run­gen und Un­fall­ver­si­che­run­gen mit Prä­mi­en­rück­ge­währ gemäß Ab­schnitt I Nr. 2 Buchst. b) der An­la­ge Teil D zum VAG a.F. die An­ga­be der Rück­kaufs­wer­te und nach Buchst. d) die­ser Be­stim­mung An­ga­ben über das Aus­maß, in dem Rück­kaufs­wer­te ga­ran­tiert sind. «Ga­ran­tiert» in die­sem Sinne seien Rück­kaufs­wer­te dann, wenn der Ver­si­che­rer sie in einer be­stimm­ten Höhe ver­trag­lich zu­ge­sagt hat.

Im vor­lie­gen­den Fall fehle es an ga­ran­tier­ten Rück­kaufs­wer­ten in die­sem Sinne. Die Be­klag­te habe keine Rück­kaufs­wer­te in be­stimm­ter Höhe ver­trag­lich zu­ge­sagt. Dar­auf habe die Be­klag­te in der Ver­brau­cher­infor­ma­ti­on aus­rei­chend hin­ge­wie­sen («… kann nicht ga­ran­tiert wer­den»). Eine ge­setz­li­che Ver­pflich­tung zu einem aus­drück­li­chen Hin­weis, dass eine Ga­ran­tie nicht ge­ge­ben werde, be­stehe im Üb­ri­gen nicht. Nur bei Vor­lie­gen einer Ga­ran­tie müsse deren Aus­maß an­ge­ge­ben wer­den. Dies stehe auch im Ein­klang mit den eu­ro­päi­schen Richt­li­ni­en zur Le­bens­ver­si­che­rung.

Pra­xis­hin­weis

Die Ent­schei­dung des BGH ent­spricht der über­wie­gen­den OLG-Recht­spre­chung (wie hier z.B. OLG Köln, Hin­weis­be­schluss vom 11.05.2017 - 20 U 29/17, BeckRS 2017, 117098, sowie meh­re­re vom BGH zi­tier­te, nicht ver­öf­fent­lich­te Ent­schei­dun­gen der OLGs Frank­furt und Mün­chen und des KG). Die Ge­gen­auf­fas­sung ver­trat das OLG Stutt­gart in der hier auf­ge­ho­be­nen Be­ru­fungs­ent­schei­dung sowie mit Ur­teil vom 21.12.2017 - 7 U 80/17, BeckRS 2017, 142978.

Redaktion beck-aktuell, 17. Februar 2020.

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