Keine Sittenwidrigkeit bei "möglicherweise" illegaler Manipulationssoftware
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Ein sittenwidriges Handeln eines Autoherstellers kann nicht allein daraus abgeleitet werden, dass im Fahrzeug des Käufers Einrichtungen vorhanden sind, die die Abgasemissionen beeinflussen und "möglicherweise" als unzulässige Abschalteinrichtungen zu qualifizieren sind. Der darin liegende Gesetzesverstoß wäre für sich genommen laut Bundesgerichtshof ungeeignet, ein verwerfliches Verhalten zu begründen. Maßgeblich seien konkrete Anhaltspunkte.

Dieselfahrzeug war nicht von Rückrufanordnung betroffen

Der Käufer eines gebrauchten VW Passat verklagte die Volkswagen AG wegen angeblicher Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz. Das Dieselfahrzeug war jedoch nicht von einer Rückrufanordnung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) betroffen. Verbaut war mit dem Motortyp EA 288 das Nachfolgemodell des "Skandaldiesels" EA 189. In einem mit "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA 288" überschriebenen internen Dokument des Autokonzerns vom 18.11.2015 hieß es: "NSK: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Fahrkurven zur Erkennung des Precon und des NEFZ, um die Abgasnachbehandlungsevents (DeNOx- / DeSOx-Events) nur streckengesteuert zu platzieren." Das LG Weiden (Oberpfalz) verurteilte die Beklagte größtenteils - unter anderem auf Zahlung von 19.662 Euro Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.172 Euro. Das OLG Nürnberg wies die Klage hingegen ab, da das behaupte Vorhandensein einer "Umschaltlogik" im Motor EA 288 prozessual unbeachtlich sei. Dabei handele es sich um eine Behauptung "ins Blaue hinein". Damit war der Käufer nicht einverstanden und legte Revision ein. Auf Hinweis des VIa. Zivilsenats hin nahm der Passatfahrer die Revision zurück.

Greifbare Belege sind entscheidend

Die Revision habe keine Aussicht auf Erfolg, so die Karlsruher Richter. Das OLG habe zu Recht eine Haftung der Beklagten wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB verneint. Ein objektiv sittenwidriges Handeln könne nicht allein daraus abgeleitet werden, dass im Auto des Käufers Einrichtungen vorhanden seien, die die Abgasemissionen beeinflussen und "möglicherweise" als unzulässige Abschalteinrichtungen zu qualifizieren sind, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007. Der darin liegende Gesetzesverstoß wäre für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz emissionsbeeinflussender Einbauten im Verhältnis zum Kläger als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Dafür bedürfte es weiterer Umstände. Der BGH pflichtete dem OLG bei, dass keine greifbaren Belege erkennbar seien, bei denen die verantwortlich handelnden Personen des Konzerns bei der Entwicklung und/oder Verwendung der emissionsbeeinflussenden Einrichtungen im Bewusstsein handelten, eine unzulässige Software zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Der Umstand, dass VW nachvollziehbar erläutert habe, dass die Steuerung der Vermeidung verzerrter NEFZ-Testergebnisse gedient habe (also einem nicht-manipulativen, grundsätzlich anerkennenswerten Zweck), und alle Vorgaben zur NSK-Steuerung ausdrücklich unter den Vorbehalt gesetzmäßigen Handels gestellt habe, bestätige diese Auffassung.

BGH, Beschluss vom 21.03.2022 - VIa ZR 334/21

Redaktion beck-aktuell, 13. Mai 2022.