Keine Prüfpflicht eines Notars bei Wertgutachten eines Grundstücks

Das Beschwerdegericht muss im Rahmen einer Notarbeschwerde lediglich prüfen, ob der Bevollmächtigte pflichtwidrig gehandelt hat. Laut Bundesgerichtshof ist dieser nicht verpflichtet, ein Gutachten über den Wert eines verkauften Grundstücks vor dem Gang zum Grundbuchamt zu prüfen. Damit lasse sich kein wucherähnliches Rechtsgeschäft belegen.

Vollzug einer Kaufvertragsurkunde

Die Verkäuferin eines Grundstücks legte Beschwerde gegen den Vollzug einer Kaufvertragsurkunde durch die Notarin ein. Sie hatte das Areal im Dezember 2019 für 110.000 Euro verkauft. Die Parteien beauftragten die Juristin, das Dokument zu vollziehen. Im April 2020 teilte die Verkäuferin ihr allerdings mit, dass der Käufer bei Vertragsabschluss zugesichert habe, er würde ihr eine Eigentumswohnung suchen sowie ihr bei einem Umzug behilflich sein. Ihre Bitte, dies schriftlich festzulegen, habe er abgelehnt. Daraufhin weigerte sich die Bevollmächtigte, den weiteren Vollzug der Urkunde zu betreiben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liege eine nicht beurkundete Nebenabrede vor, die nach § 311b BGB zur Nichtigkeit des Kaufvertrags führe. Damit war der Käufer nicht einverstanden, woraufhin die Notarin ihre Entscheidung korrigierte und einen Vollzug ankündigte. Das LG Passau wies die Klage der Verkäuferin zurück, da eine Sittenwidrigkeit des Vertrags wegen eines wucherähnlichen Geschäfts nicht evident sei. Nach den von der Verkäuferin vorgelegten Unterlagen könne nicht zweifelsfrei von einem besonders groben Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Verkehrswert ausgegangen werden. Auch die Rechtsbeschwerde der Verkäuferin beim BGH hatte keinen Erfolg.

Kein pflichtwidriges Handeln

Dem V. Zivilsenat zufolge nimmt das LG zutreffend an, dass die Notarin nach § 53 BeurkG verpflichtet ist, den Vollzug der Kaufvertragsurkunde weiter zu betreiben. Für sie sei die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht ohne jeden vernünftigen Zweifel erkennbar, also evident. Im Rahmen einer Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO sei nur zu prüfen, ob der Notar pflichtwidrig handele. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es nicht Aufgabe des Notars und damit nicht Aufgabe der über eine Notarbeschwerde entscheidenden Gerichte sei, über die materiellrechtliche Wirksamkeit einer beurkundeten Willenserklärung zu befinden. Den obersten Zivilrichtern zufolge war nicht evident, dass der beurkundete Kaufvertrag wegen fehlender Beurkundung einer vertraglichen Nebenabrede nach § 125 Satz 1 BGB nichtig ist. Der Käufer habe geltend gemacht, dass sein Versprechen lediglich aus Freundschaft, also ohne Rechtsbindungswillen erfolgt sei. Auch eine Nichtigkeit des Vertrags nach § 138 Abs. 1 BGB liege nicht vor. Der diesbezügliche Einwand der Verkäuferin sei allerdings ungeachtet dessen zu berücksichtigen gewesen, dass er erstmals mit der Beschwerde vorgebracht worden sei. Der Rechtsbehelf könne auf neue Tatsachen gestützt werden.

BGH, Beschluss vom 09.12.2021 - V ZB 25/21

Redaktion beck-aktuell, 15. Februar 2022.