Keine Pflicht zur Zahlung von "Negativzinsen" aus Schuldscheindarlehen
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Es besteht auch dann kein Anspruch auf Zahlung von Negativzinsen aus einem Schuldscheindarlehen, wenn zwar eine Zinsobergrenze, aber keine Zinsuntergrenze vereinbart worden ist. Das gesetzliche Leitbild der Darlehensvorschriften kenne keine negativen Zinsen, entschied heute der Bundesgerichtshof.

Streit um “Negativzinsen“ aus Schuldscheindarlehen

Das klagende Land schloss mit der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank im März 2007 einen als "Darlehen" bezeichneten Vertrag, dessen Konditionen von dem Kläger vorgegeben wurden. Dabei wurde unter anderem vereinbart, dass das “Darlehen“ bis zum Tag vor der terminierten Fälligkeit nach der Formel: “Nominalzins 3-Monats-EURIBOR 0,1175% Höchstsatz 5,00%“ zu verzinsen ist. Ab März 2016 errechnete sich unter Anwendung der Zinsformel ein negativer Wert. Der Kläger ist der Meinung, dass ihm die Beklagte ab dem Zeitpunkt, zu dem der Zinsaufschlag ("0,1175%") betragsmäßig hinter dem negativen Referenzzinssatz ("3- Monats-EURIBOR") zurückgeblieben war, die Zahlung von "Negativzinsen" in Höhe von 158.159,75 Euro schulde, weil in den Schuldscheinen zwar eine Zinsobergrenze ("5,00%"), aber keine Zinsuntergrenze vereinbart worden sei. Während das Landgericht der Klage stattgab, wies das Berufungsgericht die Klage ab. Der Kläger legte Revision ein.

BGH: Zins kann nicht negativ werden

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr auch die Revision zurückgewiesen und einen Anspruch auf Zahlung von Negativzinsen ausgeschlossen. Unter der - hier anzunehmenden - Geltung des dispositiven Gesetzesrechts von § 488 Abs. 1 BGB bedürfe eine Zinsabrede, nach der eine Änderung des in Bezug genommenen Referenzzinssatzes zu einer automatischen Veränderung des Vertragszinses in dem durch einen Zinsaufschlag und eine Zinsobergrenze vorgegebenen Umfang führe, keiner ausdrücklichen Festlegung einer Zinsuntergrenze, um bei einem Absinken des Referenzzinssatzes einschließlich des Zinsaufschlags unter null eine Verpflichtung des Darlehensgebers zur Zahlung von nominal negativen "Zinsen" an den Darlehensnehmer auszuschließen oder zu begrenzen. Der Begriff "Zins" werde im Gesetz nicht definiert, sondern von der Privatrechtsordnung vorausgesetzt. Zins im Rechtssinne bedeute ein für die Möglichkeit des Gebrauchs von zeitweilig überlassenem Kapital zu leistendes Entgelt, das zeitabhängig, aber zugleich gewinn- und umsatzunabhängig berechnet werde. Danach könne ein Zins nicht negativ werden. Im normativen Zusammenhang von § 488 Abs. 1 BGB bedeute dies, dass dem Zins eine definitorische Untergrenze bei 0% immanent sei, bei deren Erreichen die Pflicht des Darlehensnehmers zur Zinszahlung entfalle. Unter Zugrundelegung des gesetzlichen Leitbilds des hier einschlägigen § 488 Abs. 1 BGB könne keine Umkehrung des Zahlungsstroms vom Darlehensgeber an den Darlehensnehmer vereinbart werden. Dies gelte auch bei Ausstellung von Schuldscheinen.

Darlehensgeber trifft keine Zinszahlungspflicht

Die hier vertraglich zugrunde gelegte Zinsklausel sei so auszulegen, dass die Beklagte nicht zur Zahlung der rechnerisch ermittelten "Negativzinsen" verpflichtet sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Zinsklausel im Unterschied zu der Zinsobergrenze keine ausdrückliche Zinsuntergrenze enthalte. Die unterbliebene ausdrückliche Vereinbarung einer Zinsuntergrenze beruhe darauf, dass die Parteien bei Vertragsschluss entweder davon ausgegangen seien, dass der variable Zins nach der von ihnen vereinbarten Zinsformel aufgrund der zu erwartenden Marktentwicklung nicht negativ werden könne, oder dass sie aufgrund des Leitbilds und der vertragstypischen Pflichten eines Darlehensvertrages angenommen haben, dass ohnehin nur den Darlehensnehmer, nicht aber den Darlehensgeber eine Zinszahlungspflicht treffen könne. Das Äquivalenzprinzip könne nicht dazu herangezogen werden, um die Wertigkeit von Leistung und Gegenleistung neu zu bestimmen.

Refinanzierungsgedanke unmaßgeblich

Diese Auslegung der Zinsklausel entspreche aus der objektiven Sicht der Parteien auch dem Verständnis redlicher und verständiger Vertragspartner in ihrer Eigenschaft als professionelle Marktteilnehmer. Die Vereinbarung eines bestimmten Referenzzinssatzes – wie hier des 3-Monats-EURIBOR – lasst keinen Rückschluss darauf zu, dass sich die Bank kongruent zu diesem refinanziere. Die Refinanzierung der Bank sei in der Regel ohnehin nicht vom Erwartungshorizont des Kunden umfasst. Dabei sei es unter Zugrundelegung der hier anwendbaren AGB-rechtlichen Auslegungsgrundsätze ohne Belang, ob nach der Zinsentwicklung bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein Absinken des Referenzzinssatzes einschließlich des Zinsaufschlags unter null während der Vertragslaufzeit für die Vertragsparteien vorherzusehen oder zumindest nicht auszuschließen gewesen wäre.

BGH, Urteil vom 09.05.2023 - XI ZR 544/21

Redaktion beck-aktuell, 9. Mai 2023.

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