Keine Mietminderung wegen benachbarter Großbaustelle
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Tritt nach Abschluss eines Mietvertrags erheblicher Baustellenlärm auf einem Nachbargrundstück auf, berechtigt dies bei Fehlen einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung nicht grundsätzlich zu einer Mietminderung. Laut Bundesgerichtshof kann eine solche Abmachung nicht damit begründet werden, die Freiheit der Wohnung von Baulärm werde regelmäßig stillschweigend Vertragsgegenstand. Anderes könne gelten, wenn der Vermieter sich selbst gegen die Immissionen wehren könnte.

Massive Neubebauung des gegenüberliegenden Grundstücks sechs Jahre nach Mietbeginn

Die klagenden Mieter bewohnten seit 2011 eine in einem Mehrfamilienhaus gelegene Berliner Wohnung für monatlich 778 Euro. Bei Vertragsschluss gab es auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Kleingartenkolonie, auf dem die Streithelferin der Vermieterin ab November 2017 vier Neubauten mit sechs bis acht Vollgeschossen samt Unterkellerung und einer Tiefgarage mit einer Gesamtwohnfläche von 17.038 m² errichtete. Der durch die Baustelle auf ihre Wohnung einwirkende Baulärm sowie die mit den Arbeiten verbundenen Staubimmissionen veranlassten die Bewohner, die Miete um 30% zu mindern. Sowohl das AG Berlin-Charlottenburg als auch das LG Berlin entsprachen ihrem Anliegen teilweise in Höhe von 15%. Zudem verurteilten die Landgerichtsrichter die Vermieterin zur Rückzahlung von 817 Euro. Das Maß der auf eine Mietwohnung einwirkenden Immissionen werde stillschweigend Gegenstand der vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung, so dass eine erhebliche Verschlechterung des Immissionsniveaus einen Mangel darstelle, so die Argumentation. Die Revision der Eigentümerin beim BGH hatte Erfolg.

Keine stillschweigend getroffene Beschaffenheitsvereinbarung

Die obersten Zivilrichter konnten keinen Mietmangel feststellen. Dabei kritisierte der VIII. Zivilsenat, dass das LG unter bewusster Abweichung von der einschlägigen Senatsrechtsprechung die Anforderungen an einen Mangel der Mietwohnung wegen Lärm- und Schmutzimmissionen, die von einer auf einem benachbarten Grundstück betriebenen Baustelle auf diese einwirkten, zu niedrig angesetzt habe (§ 536 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB). Das LG sei rechtsfehlerhaft vom Vorliegen einer stillschweigend getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung zur "Freiheit der Wohnung von Baulärm" mangels Existenz einer benachbarten Baustelle bei Abschluss des Mietvertrags ausgegangen. Doch auch eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung setze zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Für deren Annahme bezüglich einer "Umweltbedingung" reiche es jedoch nicht aus, dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Sache (nicht) einwirkenden Umstand (wie die Abwesenheit von Baulärm) in einer für ihn vorteilhaften Weise wahrnehme und er sich wegen dieses Umstands dafür entscheide, die Wohnung anzumieten.

Prüfung der Mietbeeinträchtigung zu pauschal

Der BGH monierte zudem, dass das LG vor diesem Hintergrund pauschal von einer Mietbeeinträchtigung ausgegangen sei, sowie davon, dass angesichts der "typischerweise" mit den durch eine derartige Großbaustelle verbundenen Lärm- und Schmutzimmissionen eine Mietminderung von 15 % angemessen sei. Diese Fragen müsse es im Einzelnen prüfen und auch in Erwägung ziehen, ob die Vermieterin selbst Abwehransprüche gegen Lärm und Staub gehabt hätte.

BGH, Urteil vom 24.11.2021 - VIII ZR 258/19

Redaktion beck-aktuell, 5. Januar 2022.