Verträge aus dem Baukasten
Die Hamburger Rechtsanwaltskammer wollte dem Verlag Wolters Kluwer die Verwendung des Rechtsdokumentegenerators "Smartlaw" verbieten lassen. Mittels eines Frage/Antwort-Katalogs konnten Kunden im Abonnement oder per Einzelkauf Rechtsdokumente, vor allem Verträge, erstellen lassen. Beworben wurde dies unter anderem mit der Werbeaussage "Rechtsdokumente in Anwaltsqualität". Die Kammer wertete das als Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz und die Werbeaussagen als irreführend. Das LG Köln gab ihr Recht. Vor dem OLG der Domstadt war am Ende allein noch die Zulässigkeit des Online-Angebots streitig: Die Kölner Richter entschieden pro "Smartlaw" und wurden nun vom I. Zivilsenat hierin bestätigt.
Vertragserzeugung ist "Tätigkeit"...
Dabei schärfte der BGH aber die Konturen nach: War das OLG Köln noch davon ausgegangen, dass es bei einer automatisierten Bearbeitung schon an einer "Tätigkeit" gemäß § 2 Abs. 1 RDG fehle, sahen die Bundesrichter dafür keine Notwendigkeit eines direkten menschlichen Handelns. Es sei unerheblich, welche technischen Mittel zum Einsatz kämen. Geschäftliche Handlungen könnten auch automatisiert erfolgen, so durch den Einsatz einer entwickelten Software. Matthias Kilian, Direktor des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität Köln, sieht hierin eine über den Einzelfall hinausgehende Klärung des Merkmals der "Tätigkeit". "Wenn der BGH einen einfachen Ausstieg aus der Prüfung gewollt hätte, hätte er argumentieren können, dass der Verlag bereits keine Tätigkeit entfaltet, wenn der Anwender sein Vertragsdokument generiert", sagte er der NJW.
... aber nicht in konkreten fremden Angelegenheiten
Einig waren sich die Gerichte aber darin, dass hier keine Tätigkeit in einer "konkreten" fremden Angelegenheit erfolgt. Entscheidend sei der Bezug zu einer individuellen rechtlichen Frage eines bestimmten Rechtsuchenden. Die Karlsruher Richter verglichen insoweit den Einsatz von "Smartlaw" mit der Verwendung eines Formularbuchs. Christian Deckenbrock, Akademischer Rat an der Universität Köln, der im Urteil überwiegend zustimmend zitiert wird, stimmte dem BGH im Gespräch mit der NJW zu: Es handle sich letztlich um die digitalisierte Variante eines Formularbuchs. "Bei einem Buch, das den Lesern für gewisse Sachverhaltskonstellationen bestimmte Vertragsklauseln empfiehlt, käme niemand auf den Gedanken, darin eine Rechtsdienstleistung zu sehen." Aus seiner Sicht sei immer schon klar gewesen, dass das Angebot eines solchen Rechtsdokumentengenerators keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung darstelle.
Keine falschen Erwartungen geweckt
Ohne Rechtsfehler habe das OLG angenommen, dass der Verbraucher eigenverantwortlich die Software nutze und die Qualität des Ergebnisses letztlich von den Algorithmen sowie der Sinnhaftigkeit seiner Eingaben abhänge. "Für die Verbraucher ist hinreichend klar, dass das Programm ihre Angelegenheit nicht individuell prüft", bestätigt Deckenbrock. Ein praktisches Problem liege eher darin, zu erkennen, wann eine Beratung durch den Anwalt trotz der Kosten angebracht sei, anstatt sich auf die Standardlösung zu verlassen. Kilian wies allerdings darauf hin, dass - anders als bei Anwälten - die Wahrung von Mindeststandards hier nicht systematisch abgesichert werde. In den "Musterverfahren" wie LexFox und Smartlaw seien jeweils die Angebote von fachlich gut qualifizierten und wirtschaftlich adäquat ausgestatteten Anbietern geprüft worden.