Keine konkrete Bezifferung des Härteausgleichs

Der Härteausgleich für eine im EU-Ausland verhängte Strafe muss nicht konkret beziffert werden. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs sieht – entgegen der Ansicht des 1. Strafsenats – keine Verpflichtung hierzu durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs oder das europäische Recht. Dies zeigt ein heute veröffentlichtes Urteil. Eine Divergenz zum Schwestersenat verneinten die Richter. Es habe sich nicht um tragende Gründe gehandelt.

Emsiger Einbrecher

Ein Mann war wegen insgesamt 19 Einbrüchen und Einbruchsversuchen sowie zwei Diebstählen vom Landgericht Kleve zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Die Auslieferungshaft in Polen rechnete das LG an. Für weitere 19 versuchte oder vollendete Einbrüche hatte der Angeklagte bereits zuvor in dem Land eine Strafe von vier Jahren und vier Monaten erhalten. Im Rahmen der Gesamtstrafenbildung (§§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 S. 2 StGB) berücksichtigte das LG diese Verurteilung durch einen unbezifferten Härteausgleich, da keine nachträgliche Gesamtstrafe nach § 55 StGB gebildet werden konnte. Das Urteil hatte Bestand.

Konkrete Bezifferung "nicht naheliegend"

Der 3. Strafsenat war mit dem Vorgehen des LG einverstanden, nutzte aber die Gelegenheit, die Forderung des 1. Strafsenats nach einer konkreten Bezifferung des Härteausgleichs zurückzuweisen. Laut EuGH müssten früher Verurteilungen im EU-Ausland genauso berücksichtigt werden, wie sie es bei einer Entscheidung im Inland worden wären – in diesem Fall durch einen Ausgleich für die unmögliche Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe. Die Bundesrichter betonten aber, dass weder der EuGH-Rechtsprechung noch dem ihr zugrunde liegenden Rahmenbeschluss (2008/675/JI des Rats vom 24.07.2008) eine zwingende Notwendigkeit zur Bezifferung der Höhe entnommen werden könne. Der vom 1. Strafsenat gezogene gegenteilige Schluss sei auch nicht naheliegend: Ausländische und inländische Strafen könnten vom System her nicht einfach in Einzelstrafen aufgelöst und neu berechnet werden. Vergleichbar sei eher die Situation bei der Kombination von Jugend- und Erwachsenenstrafe, da auch diese nicht rechnerisch auf einen Nenner gebracht werden könnten.

BGH, Beschluss vom 26.01.2022 - 3 StR 461/21

Redaktion beck-aktuell; Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, 30. März 2022.