Keine Klagebefugnis in Musterfeststellungsklage für gewerbsmäßig abmahnenden Verbraucherschutzverein

Der Bundesgerichtshof hat die Musterfeststellungsklage der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V., die gegen Pflichtangaben in Verbraucherdarlehen zur Finanzierung von Kraftfahrzeugen vorgehen will, als unzulässig abgewiesen. Der Verein weise nicht die für die Klagebefugnis erforderliche Mitgliederzahl auf und sei nicht im Verbraucherinteresse, sondern überwiegend im Bereich gewerbsmäßiger Abmahnung tätig.

"Verbraucherschutzverein" erhob Musterfeststellungsklage gegen Kfz-Verbraucherdarlehensverträge

Der Musterkläger, die Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V., ist ein Verbraucherschutzverein, dessen satzungsgemäßer Zweck es ist, Verbraucher vor unredlichen Finanzdienstleistern zu schützen. Er begehrt im Weg der Musterfeststellungsklage die Feststellung, dass Pflichtangaben in Verbraucherdarlehensverträgen, die die beklagte Bank mit Verbrauchern zum Zweck der Finanzierung von Kraftfahrzeug-Kaufverträgen abgeschlossen hat, den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen. Aus diesem Grund habe die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen und im Fall eines wirksamen Widerrufs sei bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrages kein Ersatz für Wertverluste des Kraftfahrzeugs zu leisten. Nachdem das Oberlandesgericht die Musterfeststellungsklage als unzulässig abwies, legte der Musterkläger Revision ein.

BGH: Klage ist unzulässig - Verein fehlt Klagebefugnis

Der Bundesgerichtshof hat die Vorinstanz bestätigt. Die Musterfeststellungsklage sei unzulässig, weil der Kläger keine qualifizierte Einrichtung gemäß den Bestimmungen des § 606 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 ZPO sei. Der Kläger habe nicht schlüssig vorgetragen, dass er - wie erforderlich - mindestens 350 natürliche Personen als Mitglieder habe. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Vortrag des Musterklägers nicht, dass dieser gemäß § 606 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO in Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnehme.

Haupttätigkeit des Vereins besteht in gewerbsmäßiger Abmahnpraxis

Entscheidend für die Erfüllung dieser Voraussetzung sei, dass der Verbraucherschutz, der durch die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten des Vereins erzielt werde, bei wertender Gesamtbetrachtung ganz maßgebend auf eine nicht gewerbsmäßige Aufklärung oder Beratung zurückzuführen sei und die (außer)gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen nur eine untergeordnete Rolle spiele. Die Tätigkeit des Musterklägers bestehe allerdings ganz überwiegend darin, durch Analyse der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten Rechtsverstöße zu identifizieren, die betreffenden Institute mit anwaltlicher Hilfe abzumahnen und die Fehlerhaftigkeit der Geschäftsbedingungen anschließend gerichtlich durchzusetzen.

Verbraucherschutz spielt nur untergeordnete Rolle

So hab der Musterkläger nach den von ihm vorgelegten Presseberichten "in knapp 3.400 Fällen Gebühren abgemahnt" und in "hunderten von Fällen" Klage erhoben. Zwischen 97% und 99% der Einnahmen des Musterklägers im Jahr 2017 und im ersten Halbjahr 2018 stammten aus dem Bereich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung, sodass diese Einnahmen die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen um ein Vielfaches überstiegen. Damit spreche auch die Einnahmenstruktur des Musterklägers dafür, dass die (außer)gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen beim Schutz der Verbraucher vor unredlichen Geschäftspraktiken keine nur untergeordnete Rolle spielt.

BGH , Urteil vom 17.11.2020 - XI ZR 171/19

Redaktion beck-aktuell, 17. November 2020.