Keine Haftung für Schäden durch Abwasserkanal auf Nachbargrundstück

Ein Grundstückseigentümer haftet nicht für einen Wasserschaden auf dem Gebiet seines Nachbarn durch seinen Abwasserkanal, wenn dieser zu einer öffentlichen Kläranlage gehört. In wessen Eigentum die Leitung steht, ist dabei laut Bundesgerichtshof grundsätzlich nicht entscheidend. Maßgeblich seien vielmehr die kommunalen Satzungen bzw. die mit dem Eigner vereinbarten Entsorgungsbedingungen.

Wasserschaden in Fleischerei

Der Eigentümer eines in Sachsen-Anhalt gelegenen Grundstücks mit Fleischerei verlangte von seiner Nachbarin - der Betreiberin einer Zugwaschanlage -, dass sie für die durch ihren Abwasserkanal verursachten Wasserschäden von 135.000 Euro hafte. Der Kanal hatte einen Querschnitt von circa 70 cm x 70 cm und verlief etwa 60 cm von der Grundstücksgrenze entfernt. An der Einmündungsstelle in die öffentliche Kanalisation befand sich ein Abwasserrohr mit einem Durchleitungsquerschnitt von etwa 30 cm. Es war stark mit Wurzeln bewachsen und daher verengt. Betrieben wurde es von einem im Auftrag der Stadt Halle (Saale) tätigen Entsorgungsunternehmen. Nachdem es im September 2010 über längere Zeit geregnet hatte, trat Wasser aus dem Abfluss aus und floss auf das Grundstück des Klägers. Es lief durch einen Lüftungsschacht in die Lagerräume der Fleischerei. Inzwischen wurde die Leitung umgebaut und ein Drosselungsbauwerk errichtet. Das LG Halle wies die Klage ab. Das OLG Naumburg hingegen erklärte den Klageantrag dem Grunde nach zu 75% für gerechtfertigt (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 33 des Nachbarschaftsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt (NbG LSA))  und verwies das Verfahren nach Halle zurück. Wegen eines Mitverschuldens des Klägers sei der Betrag um 25% zu kürzen, so die Begründung. Die Revision der Beklagten hatte vorerst Erfolg.

Eigentumsfrage ist nicht entscheidend

Aus Sicht des V. Zivilsenats ging das OLG zu Unrecht davon aus, dass die Beklagte nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 33 NbG LSA für den Abwasserkanal verantwortlich war, nur weil sie am Schadenstag Eigentümerin des Grundstücks war, auf dem sich der Kanal befand. Eine Haftung scheide aus, weil der Kanal zu einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gehöre. Der beklagten Grundstückseigentümerin sei eine Einwirkung auf die bauliche Anlage rechtlich nicht möglich gewesen. In wessen Eigentum die Leitung steht, ist den obersten Zivilrichtern zufolge dabei grundsätzlich nicht entscheidend. Maßgeblich seien vielmehr die von der Gemeinde erlassenen Satzungen bzw. die mit dem Grundstückseigentümer vereinbarten Ver- bzw. Entsorgungsbedingungen. Der BGH monierte, dass das OLG nicht geklärt habe, ob der auf dem Grundstück der Beklagten befindliche Kanal von § 2 Abs. 6 der städtischen Abwassersatzung erfasst werde oder aber zu den öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen nach § 2 Abs. 5 der Satzung gehöre. Der BGH wies daher darauf hin, dass das OLG den Parteien Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu der zu klärenden Frage einzuräumen habe, in wessen Verantwortungsbereich der Abwasserkanal falle. In diesem Zusammenhang könne es auch auf entsprechende Vereinbarungen der Beklagten mit der Stadt bzw. dem Unternehmen ankommen. Der BGH verwies die Sache daher nach Naumburg zurück.

BGH, Urteil vom 10.12.2021 - V ZR 121/20

Redaktion beck-aktuell, 21. März 2022.