Keine Haftung der Gemeinde für Verweigerung ihres Einvernehmens zum Bau eines Windparks

Verweigert eine Gemeinde rechtswidrig ihr Einvernehmen zum Bau einer Windkraftanlage auf ihrem Gebiet, kann sie dafür nicht in die Haftung genommen werden. Der Bundesgerichtshof verneinte den Staatshaftungsanspruch, weil das gemeindliche Einvernehmen ersetzt werden kann. Daran ändere sich nichts, wenn – wie hier – die Kommunalaufsicht und nicht die Genehmigungsbehörde selbst für die Ersetzung zuständig ist. Mit dieser Ersetzungsbefugnis gehe auch die Verantwortung auf die Behörde über.

Gemeinde verweigerte ihr Einvernehmen zum Bau einer Windkraftanlage

Die Klägerin wollte 2014 einen Windpark mit fünf Windrädern auf dem Gebiet einer Gemeinde in Schleswig-Holstein errichten. Eine der Anlagen war im Außenbereich mit einem Abstand von etwa 700 Metern zur nächsten Siedlung geplant. Dieser Abstand war nach dem Verständnis der Kommune von der geltenden Vorschrift, einem landesweiten Runderlass, zu gering. Das zuständige Landesamt für Landschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) bat die Gemeinde im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung um ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB - vergeblich, diese berief sich auf den Verstoß gegen die Abstandsregeln. Daraufhin ersetzte der Landrat (auf Kreisebene) das Einvernehmen, weil er meinte, die Abstandsregeln seien nicht zwingend, sondern hätten nur Empfehlungscharakter. Da zwischenzeitlich ein Moratorium für den Bau von Windparks erlassen worden war, wurde der Bauantrag schließlich abgelehnt. Der Streit um die Genehmigung der Anlage vor den Verwaltungsgerichten dauert noch an. Die Windparkerbauerin forderte nun auf zivilrechtlichem Weg die Feststellung, dass die Gemeinde verpflichtet ist, ihr den aus der Versagung ihres Einvernehmens entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Klage wurde sowohl vor dem Landgericht Kiel als auch vor dem Oberlandesgericht Schleswig abgewiesen, auch der Bundesgerichtshof gab ihrer Revision nicht statt.

Gemeindliches Einvernehmen ist nicht drittschützend

Der III. Zivilsenat verneinte den Staatshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG: Die Gemeinde habe mit ihrer Verweigerung des Einvernehmens keine drittschützende Amtspflicht verletzt. Mit der Einführung der Ersetzungsbefugnis in § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ist nach Ansicht des BGH die Bindungswirkung der Verweigerung entfallen, weil das Einvernehmen ersetzt werden kann. Ohne Bindungswirkung entfalte es auch keine Bedeutung im Genehmigungsverfahren. Eine Drittgerichtetheit des § 36 Abs. 1 BauGB sei nicht gegeben. Die haftungsrechtliche Verantwortung trage allein die LLUR, weil ihr im Verhältnis zur Gemeinde die Letztverantwortung für die Erteilung der Genehmigung zugewiesen werde. Daran ändert sich nach Ansicht der Karlsruher Richter nichts dadurch, dass die LLUR sich in Schleswig-Holstein der Kommunalaufsicht bedienen müsse, um die Zustimmung ersetzen zu lassen.

Verzögerungsschaden ebenfalls verneint

Die Bundesrichter verneinten auch eine Haftung wegen des Verzögerungsschadens durch die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens: Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB gelte das Einvernehmen als erteilt, wenn es nicht binnen zweier Monate nach Anforderung verweigert werde. Diese Einvernehmensfiktion verhindere jede Verschleppungstaktik einer Gemeinde. Nach einer Verweigerung sieht der BGH die Verantwortung für eine zügige Ersetzung wiederum bei der Genehmigungsbehörde. Eine Haftungsfrage gegenüber der Kommune könne sich höchstens dann stellen, wenn die von ihr verursachte Verzögerung von - in der Regel - wenigen Wochen tatsächlich zurechenbar einen Schaden verursacht hätte.

BGH, Urteil vom 21.10.2021 - III ZR 166/20

Redaktion beck-aktuell, 9. Dezember 2021.