Keine Gesamtschuld von Haftpflichtversicherer und gegnerischem Fahrzeughalter

Muss eine Haftpflichtversicherung der Eigentümerin des gegnerischen Unfallwagens den Schaden zu 100% ersetzen, obwohl der Unfallhergang nicht geklärt werden konnte, kann sie vom begünstigten Fahrzeughalter keinen Regress verlangen. Diese Problematik, die nur bei Personenverschiedenheit von Eigentümer und Halter eines Autos auftritt, könne nur der Gesetzgeber beseitigen, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27.10.2020 entschieden.

Unaufgeklärter Verkehrsunfall

Nach einem Unfall regulierte die Kfz-Haftpflichtversicherung den Schaden des Gegners, hier einer Bank als Eigentümerin des Wagens, zu 100%. Diese Quote war nicht die Folge eines Verschuldens des Versicherungsnehmers; vielmehr konnte die Ursache der Kollision im Vorprozess nicht aufgeklärt werden – beiden Beteiligten wurde eine Haftungsquote aus Betriebsgefahr von 50% zugerechnet. Die Betriebsgefahr war nur dem gegnerischen Versicherungsnehmer, nicht aber der Bank als Sicherungseigentümerin des Unfallwagens entgegen zu halten. Die Haftpflichtversicherung forderte nun den hälftigen Schadensausgleich von dem Halter des gegnerischen Fahrzeugs nach den Regeln der Gesamtschuld. Das Amtsgericht Ludwigsburg gab der Klage statt, das Landgericht Stuttgart wies die Forderung ab. Die Versicherung wandte sich an den BGH – ohne Erfolg.

Weder eine Gesamtschuld aus der Halterhaftung...

Der Halter hafte seiner kreditgebenden Bank gegenüber nicht nach § 7 Abs. 1 StVG (Halterhaftung), weil die beschädigte Sache nach dieser Vorschrift nur eine vom "eigenen" Auto verschiedene Sache sein könne, so der BGH. Der Halter sei damit kein Gesamtschuldner nach § 426 BGB. Auch eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 1 StVG wegen des unüblichen Auseinanderfallens von Eigentum und Haltung des Fahrzeugs kommt dem XI. Zivilsenat zufolge nicht in Betracht: Der Gesetzgeber habe 2012 ausdrücklich geregelt, dass der Ausschluss der Halterhaftung des Gegners im Fall eines unabwendbaren Ereignisses auch gegenüber dem Eigentümer gelte, der nicht Halter sei. Obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass diese Regelung "himmelschreiendes Unrecht" – wie der BGH Lemcke (r+s 2017, 380) zitiert – zur Folge haben könne, habe er es so und nicht anders bestimmt. Diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers hat der Rechtsanwender laut BGH zu akzeptieren.

...noch aus dem Sicherungsvertrag mit der Bank

Auch der Sicherungsvertrag zwischen der kreditgebenden Bank und dem Halter des Fahrzeugs verpflichte den Darlehensnehmer nicht zum Ausgleich des Schadens nach den §§ 426 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB aus übergegangenem Recht: Da das Verschulden des Unfalls nicht aufgeklärt werden konnte, sei eine Pflichtverletzung des Halters nicht nachweisbar. Die bloße Beschädigung des Autos im Straßenverkehr sei kein Zuwiderhandeln gegen den Sicherungsvertrag. Vielmehr sei es auch möglich, dass ein Fahrfehler des Unfallgegners zu dem Schaden geführt habe, so der XI. Zivilsenat. Die Reparaturklausel im Sicherungsvertrag lenke den Halter ebenfalls nicht in ein Gesamtschuldverhältnis, weil sie gegenüber der Schadenshaftung nachrangig sei – und damit nicht zu einer Tilgungsgemeinschaft im Sinne des § 426 BGB führe.

Keine weitere Anspruchsgrundlage

Da der Halter gegenüber seiner Bank keinen Haftungstatbestand verwirklicht hat, scheide auch die Anwendung der Grundsätze der gestörten Gesamtschuld aus, so der BGH. Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 BGB sei nicht gegeben, weil es laut Vorprozess für das Erlangte den Rechtsgrund "Schadenersatz nach den § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 VVG" gab, wie bereits rechtskräftig ausgesprochen worden war.

BGH, Urteil vom 27.10.2020 - XI ZR 429/19

Redaktion beck-aktuell, 9. Dezember 2020.