Keine Entschädigung für Musikverbot
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Künstler, die in der Hochphase der Corona-Pandemie nicht – oder nur unter Einschränkungen – auftreten durften, haben keinen Anspruch auf Entschädigung. Das hat der BGH heute entschieden. Vergeblich geklagt hat damit ein Berufsmusiker, der im ersten Lockdown Live-Auftritte absagen musste.

Durch die Covid-Verordnungen des Landes Baden-Württemberg sah sich Mar­tin Kil­ger im Jahr 2020 um seine Haupteinnahmequelle gebracht: Live-Auftritte fielen zunächst ganz ins Wasser, später wurden sie vom Staat auf einen eher erlauchten Kreis beschränkt. Und das mit Einschränkungen, die die Freude an den Gigs spürbar schmälerten.

Der "Vollblutmusiker" (so die Selbstbeschreibung), der unter anderem mit Joe Cocker getourt und Videos für Xavier Naidoo gedreht hat, findet: "Jeder einzelne Künstler erbringt ein Sonderopfer für die Gemeinschaft – und das muss vom Land entschädigt werden."

"Bitter für die Künstler"

LG und OLG Stuttgart wiesen jedoch unisono seine Forderung nach der Zahlung von rund 8.000 Euro ab. Eine analoge Anwendung der Entschädigungsregelungen in §§ 56 und 65 IfSG sowie nach dem Landespolizeigesetz scheide aus. Auch einen enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriff sahen die Richter nicht, ebenso wenig einen allgemeinen Aufopferungsanspruch: Schließlich habe es sich um "Jedermann-Maßnahmen" gehandelt. "Bitter für die Künstler, denn es entscheiden Juristinnen und Juristen, die in der fraglichen Zeit ein gesichertes Einkommen hatten", sagte sein damaliger Rechtsanwalt Niko Härting aus Berlin.

Doch nun machten dem 47-jährigen Kläger, der mittlerweile im Allgäu lebt, auch die obersten Zivilrichter einen Strich durch die Rechnung. Sein BGH-Anwalt Peter Wessels hatte in der Revision in erster Linie einen enteignungsgleichen Eingriff geltend gemacht – ein Haftungsinstitut, das die Rechtsprechung erfunden hat. Doch dieser setze voraus, wie die Richter zusammenfassten, dass rechtswidrig in eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition unmittelbar "von hoher Hand" eingegriffen wird, wie die Karlsruher Richter ausführten. Zudem muss dem Berechtigten dadurch ein "besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit" auferlegt werden.

Veranstaltungsverbote und -beschränkungen waren verhältnismäßig

Diese Voraussetzungen sah der für Amts- und Staatshaftungsansprüche zuständige III. Senat aber nicht als erfüllt an. Die in den Corona-Verordnungen des beklagten Landes angeordneten Veranstaltungsverbote und -beschränkungen waren seinem Urteil zufolge nämlich nicht rechtswidrig. Weder liege ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Eigentum noch gegen die Berufs- oder Kunstfreiheit vor. So seien die angeordneten Maßnahmen verhältnismäßig gewesen. "Sie dienten einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck, weil sie darauf abzielten, durch die Reduzierung zwischenmenschlicher Kontakte die weitere Verbreitung des Virus zu verlangsamen und das exponentielle Wachstum der Infektionen zu durchbrechen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden und die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen", schreibt der BGH. Schließlich habe das Robert Koch-Institut in seinen täglichen Lageberichten gerade auch die "soziale Distanzierung" als geeignete Gegenmaßnahme zur Verbreitung des Covid-Virus und zur Überlastung des Gesundheitswesens bezeichnet.

Im zweiten der drei üblichen Prüfungspunkte widmete sich der Senat der Erforderlichkeit des Grundrechtseingriffs. Auch diese bejahen sie, weil gleich geeignete, mildere Mittel nicht zur Verfügung gestanden hätten. Denn mit dem vorrangigen Ziel schnellstmöglicher und umfassender Kontaktbeschränkungen seien differenzierende Übergangs- und Ausnahmeregelungen nicht zu vereinbaren gewesen. "Verhaltensregeln für Versammlungen und Veranstaltungen stellten selbst bei vollumfänglicher Beachtung kein gleich wirksames Mittel dar", so die Richter. Hinzu komme das Risiko bewusst oder unbewusst fehlerhafter Anwendung der Vorschriften – gerade bei Veranstaltungen wie Hochzeiten, Firmenfeiern und Konzerten.

Zwei Milliarden Euro ausgeschüttet

Und schließlich waren aus ihrer Sicht die Beschränkungen auch verhältnismäßig im engeren Sinn. "Die öffentliche Hand hat für den zu beurteilenden Zeitraum einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen der Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers und dem mit dem Veranstaltungsverbot verfolgten Schutz besonders bedeutsamer Gemeinwohlbelange gefunden", urteilte der BGH. So sei das Veranstaltungsverbot von Anfang an zeitlich befristet gewesen. Überdies habe die Bundesregierung den Eingriff durch "großzügige staatliche Hilfsprogramme" weiter abgemildert. Deren "Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbständige" habe allein in Baden-Württemberg zu Zahlungen von mehr als zwei Milliarden Euro geführt.

BGH, Urteil vom 03.08.2023 - III ZR 54/22

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 3. August 2023.