Keine Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers bei gestörter Gesamtschuld

Der Sozialversicherungsträger kann in Altfällen keine Ansprüche aus übergegangenem Recht gegenüber dem Kfz-Haftpflichtversicherer geltend machen, wenn der Fahrer dem Familienprivileg unterfällt und dieser im Innenverhältnis gegenüber dem Halter allein für den Unfall verantwortlich ist. Laut Bundesgerichtshof sperren dann noch die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld eine auf den nicht privilegierten Halter abstellende Überleitung gegenüber seiner Versicherung.

Über 1 Millionen Euro Schadensersatz nach Autounfall

Eine gesetzliche Krankenversicherung und eine Pflegekasse verlangten von einem Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer aus übergegangenem Recht des bei ihnen versicherten Kleinkinds Schadensersatz von 1,3 Millionen Euro. Zum Unfallzeitpunkt im Februar 2016 war der Junge anderthalb Jahre alt. Er saß als Beifahrer in einem von seiner Mutter gelenkten Pkw, dessen Halterin seine haftpflichtversicherte Großmutter war. Es kam zu einem Frontalzusammenstoß mit einem Lkw, für den die Fahrerin allein verantwortlich war. Das LG Göttingen wies die Klage zunächst ab. In der Berufungsinstanz waren die Klägerinnen beim OLG Braunschweig erfolgreich. Der Anspruch des Kindes gegen die Halterin, seine Großmutter, sei nicht nach § 116 Abs. 6 SGB X a.F. ausgeschlossen. Es stehe nämlich nicht fest, dass der Geschädigte auch mit ihr in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe, so die Begründung. Die Revision der Beklagten beim BGH hatte Erfolg.

Innenverhältnis ist entscheidend

Dem VI. Zivilsenat zufolge konnte der Schadensersatzanspruch des Jungen gegen die Halterin bzw. nach dem Übergang auf die Klägerinnen nach § 116 Abs. 1 SGB X a.F. von diesen gegenüber der Beklagten nicht geltend gemacht werden. Die Haftung der Großmutter als Halterin und damit auch eine Einstandspflicht des beklagten Haftpflichtversicherers seien nämlich nach der Rechtsprechung des BGH zur Rechtslage des § 116 Abs. 6 SGB X a.F., d.h. für Unfälle, die sich vor dem 01.01.2021 ereignet haben, nach den Grundsätzen der sogenannten gestörten Gesamtschuld ausgeschlossen. Das zwischen Fahrerin und Halterin bestehende Gesamtschuldverhältnis sei durch das Angehörigenprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X a.F. gestört. Die Halterin hafte dem Sozialversicherungsträger nicht, weil sie im Innenverhältnis zum angehörigen Schädiger den Schaden nicht zu tragen habe. Eine Klage gegen die Halterin wäre daher abzuweisen. Dann bestehe aber auch kein akzessorischer Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer. Soweit dieser für den Halter akzessorisch einzustehen habe, werde auch er bezüglich der nach § 116 Abs. 1 SGB X auf den Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüche von der Haftung frei. Eine andere Beurteilung würde aus Sicht der Bundesrichter im Ergebnis dazu führen, dass eine Haftung der Halterin nur deshalb angenommen würde, weil für sie Haftpflichtversicherungsschutz besteht.

BGH, Urteil vom 07.12.2021 - VI ZR 1189/20

Redaktion beck-aktuell, 4. Januar 2022.