Keine einseitige Auflösung des Nießbrauchs bei Gesamthandsgemeinschaft

Sind die Mitglieder einer gesamthänderischen Nießbrauchsgemeinschaft einander nicht grün, besteht keinerlei Anspruch auf die einseitige Auflösung der Gemeinschaft, entschied der Bundesgerichtshof. Weder habe der Gesetzgeber eine entsprechende Norm vorgesehen, noch könnten die Auflösungsvorschriften für die Bruchteilsgemeinschaft analog angewendet werden. Die Klage wurde abgewiesen.

Eigentum gegen Nießbrauch im Weg der vorweggenommenen Erbfolge

Die geschiedenen Eheleute hatten im Weg der vorweggenommenen Erbfolge ihren Kindern das Eigentum an einem Grundstück mit vermieteten Gebäuden überschrieben. Im Gegenzug ließen sie sich den unentgeltlichen Nießbrauch auf Lebenszeit gemeinschaftlich "als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB" bestellen. Das Paar entschied sich damit für die Vorschriften der Gesamthandsgemeinschaft. Der Mann verlangte nun von seiner Exfrau, die Zwangsversteigerung des Nießbrauchs zu dulden, um die Gemeinschaft aufzulösen. Die Vorinstanzen hatten dem Kläger in analoger Anwendung der Auflösungsnorm für die Bruchteilsgemeinschaft (§ 749 Abs. 1 BGB) recht gegeben.

Gesamthandsgemeinschaft versus Bruchteilsgemeinschaft

In der Gesamthandvereinbarung steht jeder Partei der Anspruch auf die gesamten Mieteinkünfte zu, die die Mieter jedoch nur einmal leisten müssen. Eine Bruchteilsgemeinschaft hingegen hätte die Mieteinkünfte aus den jeweiligen Wohnungen auf einzelne Berechtigte verteilt. Jeder Teilhaber der Bruchteilsgemeinschaft kann nach § 749 Abs. 1 BGB jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen - für die Gesamthand gibt es keine derartige Auflösungsnorm. Auch eine Kündigung der Gemeinschaft aus wichtigem Grund ist nicht vorgesehen.

Keine analoge Anwendung der Auflösungsnormen

Der Bundesgerichtshof hat nun einen Anspruch auf Auflösung der Gemeinschaft nach § 749 Abs. 1 BGB analog abgelehnt, weil es dem Sinn und Zweck der getroffenen Vereinbarung, einem lebenslangen Nießbrauch für beide Parteien, widerspräche. Die Eheleute hätten sich mit der Regelung eine lebzeitige wirtschaftliche Absicherung schaffen wollen - diese solle gerade nicht durch einen Anspruch auf einseitige Auflösung vorzeitig beendet werden. Nach dem notariellen Vertrag sei sogar der überlebende Ehegatte abgesichert, indem dieser dann den gesamten Nießbrauch erhalte. Der V. Zivilsenat lehnt auch einen Anspruch auf Aufhebung aus Treu und Glauben - § 242 BGB - ab, etwa wegen schwerer Verfehlungen zwischen den Geschiedenen, weil diese nur das Innenverhältnis beträfen, die anderweitig gelöst werden könnten. Das Außenverhältnis gegenüber den Kindern hingegen sei gar nicht betroffen.

BGH, Urteil vom 06.03.2020 - V ZR 329/18

Redaktion beck-aktuell, 21. Juli 2020.