Keine Ausnahme vom Grundsatz der Alternativität
Lorem Ipsum
© Dan Race / stock.adobe.com

Wird ein Strafgesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung des Strafgerichts geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden. Der Bundesgerichtshof stellte nun klar, dass die Einziehungsregeln der anzuwendenden Strafvorschrift automatisch folgen – ein Strafrichter kann also nicht für die Einziehung eine andere Fassung des Gesetzes wählen als für die Strafe.

Schwunghafter Handel mit inkriminierten Autoteilen

Ein Mann verkaufte 2020 auf ebay-Kleinanzeigen Airbags und Lenkräder für BMW und Mercedes aus kriminellen Quellen an gutgläubige Kunden. Vom Erlös früherer solcher Taten aus den Jahren 2015 und 2018 kaufte er sich zwei Pkw, die er ebenfalls weiterveräußerte. Vor der erstinstanzlichen Entscheidung wurde der Geldwäscheparagraf geändert. Das Landgericht Bremen verurteilte ihn wegen Hehlerei, Betrugs und Geldwäsche zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und traf Einziehungsentscheidungen. Dabei wandte es für den Geldwäschetatbestand das Gesetz von 2017 und für die Einziehung ebenfalls die alte Fassung des § 261 StGB in Verbindung mit den §§ 73 ff. StGB an. Der Angeklagte wandte sich mit der Revision erfolgreich an den Bundesgerichtshof.

Neufassung milder

Der 5. Strafsenat stellte klar, dass Strafgerichte das mildere Gesetz nach § 2 Abs. 3 StGB nur einheitlich bestimmen und anwenden können. Er hob die verhängten Strafen hinsichtlich der Geldwäsche nach § 261 StGB und teilweise die Einziehungen auf, weil die Bremer Strafrichter ihre Beurteilung nach der alten Gesetzesfassung gerichtet hatten. Diese sei bezogen auf das Grunddelikt strenger. Die neue Qualifkation sei für den Angeklagten nicht einschlägig. Daher hätte einheitlich anhand der Neufassung entschieden werden müssen.

Rosinenpicken nicht erlaubt – Grundsatz der strikten Alternativität

Jedes Gesetz werde als Einheit erlassen, daher würde es verletzt, wenn ein Richter aus zwei Fassungen die jeweilig milderen Teile anwenden würde. Der Grundsatz der strikten Alternativität diene dabei der Rechtssicherheit und sei Ausdruck der Gesetzesbindung. Entgegen großer Teile der Literatur lehnen die Karlsruher Richter eine Ausnahme für die Einziehung von diesem Grundsatz ab. § 2 Abs. 5 StGB, wonach für Einziehung und Unbrauchbarmachung die Absätze 1 bis 4 entsprechend gelten, zwinge nicht zur gemischten Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips. Die Vorschrift weise nur darauf hin, dass im Fall, dass der Vergleich zweier Fassungen eines Strafgesetzes keine mildere Vorschrift ergebe, die günstigeren Einziehungsvorschriften anzuwenden sind. Sie sei auch dann einschlägig, wenn sich nur die Einziehungsregelungen geändert haben. Dafür spreche auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift.

Prüfungsreihenfolge

Daraus ergibt sich nach dem BGH folgende Prüfungsreihenfolge: Zunächst wird geprüft, ob die angeklagte Tat nach beiden Fassungen des Gesetzes strafbar ist. Ist das der Fall, wird das mildere Gesetz nach § 2 Abs. 3 StGB bestimmt. Dazu werden die beiden Hauptstrafen, die sich für die konkrete Tat aus beiden Fassungen ergeben, miteinander verglichen. Hier ergebe sich, dass die aktuelle Fassung des § 261 Abs. 1 StGB für den mutmaßlichen Täter günstiger sei, weil keine erhöhte Mindeststrafe angedroht werde und auch mit einer Geldstrafe geahndet werden könne.  

BGH, Urteil vom 08.08.2022 - 5 StR 372/21

Redaktion beck-aktuell, 13. Dezember 2022.