Kein zweites letztes Wort nach Ablehnung des Befangenheitsantrags

Verkündet das Gericht nach Gewährung des letzten Wortes für den Angeklagten, dass sein Befangenheitsantrag abgelehnt wird, muss es ihm nicht erneut Gelegenheit geben, sich zu äußern. Anders sieht das der Bundesgerichtshof nur, wenn sich der Beschluss auch hinsichtlich des Beweisergebnisses äußert. Lasse die Entscheidung zum Beispiel erkennen, dass das Gericht eine Beweistatsache würdigt, sei es mit der Verkündung konkludent in das Verfahren wieder eingetreten und müsse erneut die Möglichkeit geben, sich abschließend dazu zu äußern.

Täter oder Helfer?

Ein Mann wurde angeklagt, neben weiteren Taten als Mitglied einer Gruppe einen anderen Mann "zusammengeschlagen" zu haben und diesen Vorgang gefilmt zu haben. Auf dem Video war auch erkennbar, dass zwei nicht beteiligte Personen eingeschritten waren, um dem Opfer zu helfen. Diese Personen blieben aber bis zum letzten Tag der Beweisaufnahme anonym. Nach Bekanntgabe der Daten eines Nichtbeteiligten stellte die Verteidigung einen Beweisantrag auf Vernehmung dieses Mannes, weil er bezeugen konnte, dass der Angeklagte nicht der Täter war. Das Landgericht Düsseldorf lehnte den Antrag wegen Bedeutungslosigkeit ab: Es sei zu erwarten, dass die Aussage dieses Zeugen lediglich eine (weitere) Falschaussage darstellen würde. Daraufhin erklärte der Angeklagte die Vorsitzende als befangen. Nachdem dem Angeklagten das letzte Wort gewährt worden war, verkündete das Gericht die Ablehnung des Befangenheitsantrags und anschließend das Urteil, wonach er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt wurde. Hiergegen wehrte sich der Angeklagte mit einer Revision vor dem BGH – mit Erfolg.

Vorweggenommene Würdigung ist rechtswidrig

Das LG habe die Bedeutungslosigkeit nach § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO aus dem bisherigen Beweisergebnis hergeleitet, indem es das Gegenteil der Beweistatsache bereits durch andere Beweismittel als belegt angesehen habe. Daraus hat es laut BGH den Schluss gezogen, dass die beantragte Zeugenaussage eine Falschaussage sein werde. Der 3. Strafsenat betont, dass diese Begründung gegen das Verbot der Beweisantizipation verstößt. Auf diesem Rechtsfehler beruhe das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO) auch, sodass die Karlsruher Richter es aufhoben.

Kein Wiedereintritt durch Ablehnungsbeschluss

Durch die Verkündung des Beschlusses, mit dem der Befangenheitsantrag abgelehnt wurde, ist laut den Bundesrichtern nicht wieder in die Verhandlung mit der Folge des § 258 StPO eingetreten worden; weder die Plädoyers hätten wiederholt werden müssen, noch dem Angeklagten erneut das letzte Wort erteilt werden müssen. Bereits systematisch gehöre die Ablehnung nicht zum Bereich der Beweisaufnahme und Hauptverhandlung. So werde die Entscheidung außerhalb der Hauptverhandlung getroffen und könne auch nach den §§ 28 Abs. 2 Satz 2, 35 Abs. 2 Satz 2 StPO durch eine formlose schriftliche Mitteilung bekannt gegeben werden. Solange in dem Beschluss keine Gesichtspunkte zur Sprache kämen, die auch für die Sachentscheidung relevant sein könnten, etwa eine gerichtliche Beurteilung des bisherigen Beweisergebnisses, bestehe auch materiell-rechtlich keinerlei Anlass, wieder in die Verhandlung einzutreten. Der Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör sei nur dann verletzt, wenn er nicht die Möglichkeit gehabt habe, auf alle Punkte einzugehen, die in das Urteil einfließen könnten.

BGH, Urteil vom 24.02.2022 - 3 StR 202/21

Redaktion beck-aktuell, 1. April 2022.