Kein Widerruf des Bezugsrechts durch Kündigung der Lebensversicherung
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Die Frage, ob die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages durch den Versicherungsnehmer stets zugleich den Widerruf des Bezugsrechts auf den Todesfall enthält, ist durch Auslegung der Erklärung im Einzelfall zu beantworten. Dafür gibt es laut Bundesgerichtshof allerdings keinen allgemeinen Erfahrungssatz. Entscheidend ist der Wille des Versicherungsnehmers.

Alleinerbin widerruft Bezugsrechte des Lebensgefährten

Eine Versicherungsgesellschaft nahm die Tochter und Alleinerbin einer verstorbenen Versicherungsnehmerin auf Rückzahlung des Rückkaufswerts einer Rentenversicherung in Höhe von rund 16.000 Euro in Anspruch. Der Betrag wurde einen Tag vor ihrem Tod am 27.03.2019 ihrem Konto gutgeschrieben, nachdem sie den Vertrag im Februar 2019 zum 01.04.2019 gekündigt hatte. Im Antrag vom Mai 2012 bestimmte die Frau ihren Lebensgefährten als widerruflich Bezugsberechtigten im Todesfall, der als solcher auch im Versicherungsschein eingetragen war. Am 13.09.2019 informierte die Tochter die Versicherung über den Verlust ihrer Mutter und teilte mit, dass sämtliche zu Gunsten des Lebensgefährten bestehenden Vollmachten widerrufen worden seien. Zugleich widerrief sie dessen bei der Klägerin bestehende Bezugsrechte. Die Gesellschaft erklärte, dass ein Widerruf des Bezugsrechts wegen des Eintritts des Versicherungsfalls nicht mehr möglich sei. Die Kündigung sei nach § 6 AVB erst zum 01.04.2019 wirksam geworden, so dass zum Zeitpunkt des Todes der Vertrag noch bestanden habe. Mit Eintritt des Versicherungsfalls habe der Partner den Anspruch auf die Todesfallleistung erworben. Die Zahlung sei daher ohne Rechtsgrund erfolgt.

OLG: Fortbestehendes Bezugsrecht widerspricht Interessenlage

Das LG Stuttgart gab der Klage vollumfänglich statt. Das dortige OLG hingegen verurteilte die Beklagte, an die Klägerin 954 Euro zu zahlen und wies die Klage im Übrigen ab. Die Klägerin habe die Kündigungserklärung der Versicherungsnehmerin dahingehend auslegen müssen, dass damit auch der Widerruf des zu Gunsten des Lebensgefährten bestehenden Bezugsrechts erklärt worden sei. Ein Fortbestehen des Bezugsrechts widerspreche der Interessenlage der Versicherungsnehmerin, die den Wert der Versicherung ihrem liquiden Vermögen zuführen wollte. Die Revision der Assekuranz beim BGH hatte Erfolg.

Kein konkludenter Widerruf

Dem IV. Zivilsenat zufolge enthält die Kündigungserklärung des Versicherungsnehmers einer Lebensversicherung, die mit einem Auszahlungsbegehren an sich selbst verbunden ist, entgegen der Ansicht des OLG jedenfalls bei einem Bezugsrecht auf den Todesfall ohne weitere Anhaltspunkte nicht stets zugleich konkludent auch den Widerruf dieses Bezugsrechts. Dafür gebe es keinen allgemeinen Erfahrungssatz. Vielmehr ist laut BGH auch in einem solchen Fall die Frage durch Auslegung der Erklärung des Versicherungsnehmers zu beantworten. Insbesondere dann, wenn erkennbar eine von zwei möglichen Auslegungen für den Erklärenden wirtschaftlich wenig Sinn mache, müsse das Gericht genau prüfen. Ein derartiger Fall liege hier aber nicht vor, denn aus der Kündigungserklärung sei für die Klägerin nur erkennbar gewesen, dass die Versicherungsnehmerin eine Beendigung des Vertrages zum nächstmöglichen Termin wünschte. Daraus habe sie nicht schließen müssen, dass zugleich auch der sofortige Widerruf des Bezugsrechts gewollt war, weil nur dies für sie wirtschaftlich sinnvoll war. Nichts deute aus Sicht der Klägerin darauf hin, dass die Versicherungsnehmerin im Fall ihres Todes vor Wirksamwerden der Kündigungserklärung eine Änderung des Bezugsrechts zu Lasten des Partners und zugunsten ihrer Erbin gewollt habe.

BGH, Urteil vom 22.03.2023 - IV ZR 95/22

Redaktion beck-aktuell, 18. April 2023.