Kein Vorrang des Grundsatzes der Namenskontinuität

Erwirbt ein Kind deutsch-ghanaischer Eltern durch die Anerkennung seines deutschen Vaters die deutsche Staatsangehörigkeit, führt es grundsätzlich einen Geburtsnamen nach Maßgabe deutschen Rechts. Eine ursprünglich nach ausländischem Recht erfolgte Namenserteilung ist grundsätzlich irrelevant, entschied der Bundesgerichtshof. Mit dem rückwirkenden Erwerb beanspruche der deutsche Gesetzgeber die kollisionsrechtliche Personalhoheit über das Kind.

Kind mit deutsch-ghanaischen Eltern

Die Eltern eines Kindes verlangten, die Berichtigung des Geburtseintrags gegenüber dem Standesamt dahingehend anzuordnen, dass der Geburtsname ihres Kindes "G...-W..." laute. Die Kindesmutter – eine ghanaische Staatsangehörige – trug nach der Hochzeit 2009 mit einem deutschen Staatsangehörigen zunächst dessen Familiennamen "L...". Beide ließen sich 2014 scheiden. Im Oktober 2019 brachte sie in Deutschland ein Kind zur Welt. Daraufhin erklärte die Afrikanerin – vertreten durch ihre Schwester – mit "statutory declaration" vor dem Superior Court of Judicature in Accra (Ghana), ihrem vormalig erworbenen Ehenamen nunmehr ihren Geburtsnamen hinzuzufügen. Ihr Familienname laute ab sofort "L...- G...". Gegenüber dem Standesamt benannte sie im November 2019 als Kindsvater einen Deutschen mit dem Familiennamen "W…". Zudem bestimmte sie, dass sich der Familienname des Kindes nach ghanaischem Recht richten und "G…-W…" lauten solle. Damit erklärte sich der Mann im Mai 2020 auch im Rahmen seiner Vaterschaftsanerkennung einverstanden. Das Standesamt trug im August 2020 das Kind mit dem Geburtsnamen "L...-G…" ins Geburtenregister ein.

KG: Ghanaisches Namensrecht maßgeblich

Während das Amtsgericht Schöneberg den Berichtigungsantrag zurückwies, wies das Kammergericht das Standesamt an, den Geburtenregistereintrag für das Kind auf den Geburtsnamen "G...-W…" zu ändern. Das Geburtenregister sei nach § 48 PStG zu berichtigen, weil das Kind den Familiennamen "G...-W..." führe. Nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB sei für dessen Namensbestimmung im Zeitpunkt seiner Geburt ghanaisches Recht maßgeblich gewesen. Die Tatsache, dass der Staatsangehörigkeitserwerb durch die Vaterschaftsanerkennung nach § 4 Abs. 1 S. 2 StAG auf die Geburt zurückwirke, sei keine hinreichende rechtliche Grundlage dafür, einen bereits erworbenen Namen gegen den Willen wieder zu entziehen. Er sei auch nicht rückwirkend unwirksam geworden. Vielmehr gelte der Grundsatz der Namenskontinuität. Die Rechtsbeschwerde des Standesamtes beim BGH hatte Erfolg.

BGH: Deutsche Personalhoheit über das Kind

Der Familiensenat des BGH verwies die Sache an das KG zurück. Die Berichtigung des Geburtseintrags sei nicht gerechtfertigt. Der rückwirkende Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 Satz 2 StAG verdränge das vormals maßgebliche ghanaische Namenssachrecht und führe grundsätzlich zu einem Geburtsnamen nach Maßgabe deutschen Sachrechts. Eine entgegen Art. 10 Abs. 1 EGBGB nach ausländischem Recht erfolgte Namenserteilung sei damit aus Sicht des deutschen Rechts grundsätzlich irrelevant. Denn mit dem rückwirkenden Erwerb beanspruche der deutsche Gesetzgeber die kollisionsrechtliche Personalhoheit über das Kind. Ob die von den Eltern nach Art. 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EGBGB getroffene Rechtswahl, nach der sich die Namensbestimmung für das Kind nach ghanaischem Recht richten soll, wirksam sei, müsse das KG nunmehr prüfen.

BGH, Beschluss vom 22.03.2023 - XII ZB 105/22

Redaktion beck-aktuell, 3. Mai 2023.