Bei Aufsicht sexuell missbraucht
Eine 15-jährige wurde über einen Zeitraum von anderthalb Jahren alle zwei Wochen nachmittags für ein bis zwei Stunden von ihrem "Stiefopa" betreut. Sein Sohn war mit der Mutter des Mädchens verheiratet, ohne dessen Vater zu sein. Dabei nutzte er die Zeit, um das Kind - begleitet von anzüglichen Bemerkungen - an den Armen und Schultern, später auch an Gesäß und an Brust zu streicheln, um sich sexuell zu erregen. Bei seiner Gegenwehr erlitt das Mädchen immer wieder blaue Flecken. Das Landgericht Darmstadt verurteilte den Mann unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und sechs Monaten. Dagegen wehrte er sich vor dem Bundesgerichtshof - mit Erfolg.
Nur Abkömmlinge geschützt
§ 174 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB schützt dem BGH zufolge nur Abkömmlinge: Personen, die gemäß § 1589 BGB biologisch oder rechtlich nach den §§ 1592 Nr. 1 oder 1754 Abs. 1, Abs. 2 BGB vom Täter abstammen. Das Landgericht habe nicht festgestellt, ob der Stiefvater die noch schwangere Mutter des Mädchens geheiratet hatte und damit zum rechtlichen Vater wurde, oder ob er das Kind adoptiert hatte und dadurch ein Verwandtschaftsverhältnis begründet wurde. Ohne eine solche Feststellung sei die Verurteilung nicht haltbar. Die Karlsruher Richter hoben den Schuldspruch deshalb auf und verwiesen die Sache zurück.
Unterschied vom Gesetzgeber gewollt
Der 2. Strafsenat begründet seine Entscheidung mit dem Wortlaut der Norm und dem Willen des Gesetzgebers. Dieser habe erst 2015 den Täterkreis erweitert, indem er unter anderem auch die Abkömmlinge der Personen schützt, die in ehe- oder lebenspartnerschaftlichsähnlicher Gemeinschaft mit dem Täter leben. Wenn der Gesetzgeber ebenso eine Stiefenkelin hätte schützen wollen, hätte er das mit der Reform getan.