Kein selbstständiges Beweisverfahren bei Schiedsgutachtenabrede

Eine Schiedsgutachtenabrede steht einem selbstständigen Beweisverfahren grundsätzlich entgegen, soweit sich das Beweisthema mit der Vereinbarung deckt. Laut Bundesgerichtshof verhindert die Abrede, dass bei Auseinandersetzungen grundsätzlich bindend ein Schiedsgutachter eingeschaltet werden soll, eine gerichtliche Beweiserhebung.

Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens

Der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen beantragte im selbstständigen Beweisverfahren die Feststellung von Mängeln an Stahlbauteilen, die vom beklagten Bauunternehmen beim Neubau einer Autobahnbrücke verwendet wurden. Die Firma hatte den Zuschlag für das Vorhaben 2017 erhalten. In den Bauvertrag wurden unter anderem die VOB/B sowie die Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING) einbezogen. Der Landesbetrieb erhob zahlreiche Mängelvorwürfe. Im April 2020 berief sich der Baubetrieb nach § 18 Abs. 4 Satz 1 VOB/B  auf das Recht, eine Schiedsuntersuchung durch eine staatlich anerkannte Prüfstelle vornehmen zu lassen. Den Antrag richtete das Unternehmen an eine Materialprüfungsstelle, welches die Stahlbauteile untersuchte. Vor Abschluss der Begutachtung rief die Auftraggeberin das Landgericht Köln an. Ihr Antrag auf Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 1, Abs. 2 ZPO scheiterte sowohl dort als auch beim Oberlandesgericht Köln, da das erforderliche Rechtsschutzinteresse fehle. Da die Parteien eine Schiedsgutachtenklausel in den Vertrag aufgenommen hätten, sei die vorherige oder parallele Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens grundsätzlich unzulässig. Dagegen legte die Antragstellerin Rechtsbeschwerde beim BGH ein – ohne Erfolg.

Schiedsgutachtervereinbarung hat Vorrang

Dem VII. Zivilsenat zufolge ist das OLG zu Recht davon ausgegangen, dass eine Schiedsgutachtensabrede nach § 18 Abs. 4 VOB/B einer vorherigen oder parallelen Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO grundsätzlich entgegensteht, soweit das Beweisthema des beabsichtigen Beweisverfahrens sich mit dem Anwendungsbereich der Abrede deckt. Da die Parteien eine Schiedsgutachtervereinbarung getroffen hätten, besteht laut den Karlsruher Richtern gleichzeitig die Abrede, dass die erfassten Tatsachenfragen grundsätzlich bindend durch den Schiedsgutachter festgestellt werden sollen. Dessen Feststellungen seien dann nur noch eingeschränkt nach Maßgabe der §§ 317 ff. BGB gerichtlich überprüfbar. Gleichzeitig stellten sie laut BGH damit klar, dass daneben gerade keine gerichtliche Beweiserhebung in Angriff genommen werden soll.

BGH, Beschluss vom 26.01.2022 - VII ZB 19/21

Redaktion beck-aktuell, 23. Februar 2022.