Kein Scha­den­er­satz für Flug­pas­sa­gier wegen feh­len­der Nutz­bar­keit von Ea­sy­PASS

Ver­säumt ein Flug­gast sei­nen Flug, weil er die Vor­aus­set­zun­gen für die Nut­zung der au­to­ma­ti­sier­ten Grenz­kon­trol­le (Ea­sy­PASS) nicht er­füllt, so löst dies kei­nen Scha­den­er­satz­an­spruch gegen den Flug­ha­fen­be­trei­ber aus. Für die Or­ga­ni­sa­ti­on der Pass­kon­trol­len sei die Bun­des­po­li­zei ver­ant­wort­lich, so der BGH. Der Flug­ha­fen­be­trei­ber hafte auch dann nicht, wenn er on­line auf das Ea­sy­PASS-Sys­tem hin­wei­se, ohne die Nut­zungs­vor­aus­set­zun­gen näher zu kon­kre­ti­sie­ren.

Hin­weis auf Min­dest­al­ter für Ea­sy­PASS-Nut­zung un­ter­blieb

Die Be­klag­te be­treibt einen Großflug­ha­fen, der mit dem elek­tro­ni­schen Grenz­kon­troll­sys­tem Ea­sy­PASS aus­ge­stat­tet ist. Die­ses er­mög­licht ein schnel­le­res Pas­sie­ren der Grenz­kon­trol­le, indem die Iden­ti­tät des Rei­sen­den, sowie die Echt­heit und Gül­tig­keit des elek­tro­ni­schen Rei­se­do­ku­ments au­to­ma­ti­siert über­prüft wer­den. Um Ea­sy­PASS nut­zen zu kön­nen, muss der Rei­sen­de min­des­tens zwölf Jahre alt sein. Die Be­klag­te wies auf ihrer In­ter­net­sei­te auf das Ea­sy­PASS-Sys­tem hin, ohne das Min­dest­al­ter für des­sen Nut­zung zu er­wäh­nen.

Ab­flug­gate zu spät er­reicht - Ea­sy­PASS-Nut­zung schei­ter­te

Der Klä­ger hatte für sich, seine Ehe­frau sowie die drei min­der­jäh­ri­gen Kin­der einen Über­see­flug ge­bucht. Die plan­mä­ßi­ge Ab­flug­zeit war um 12.15 Uhr. Die Fa­mi­lie ver­pass­te je­doch den Flug, da sie nach Durch­lau­fen der Si­cher­heits- und Pass­kon­trol­len das Ab­flug­gate nicht mehr recht­zei­tig er­reich­te. Der Klä­ger hat gel­tend ge­macht, er habe am Ab­flug­tag zu­sam­men mit sei­ner Fa­mi­lie das Rei­se­ge­päck um 10.07 Uhr am Check-in-Schal­ter auf­ge­ge­ben. Um 11.10 Uhr habe sich seine Fa­mi­lie zu der Si­cher­heits­kon­trol­le be­ge­ben und diese um 11.35 Uhr pas­siert. An­schlie­ßend seien sie zu den elek­tro­ni­schen Pass­kon­trol­len ge­gan­gen. Diese hät­ten aber nicht ge­nutzt wer­den kön­nen, da seine jüngs­te Toch­ter noch keine zwölf Jahre alt ge­we­sen sei. Die Fa­mi­lie sei des­halb an die zwei mit Per­so­nal be­setz­ten Durch­gän­ge ver­wie­sen wor­den. Dort sei bei der Kon­trol­le eines an­de­ren Pas­sa­giers ein Pro­blem auf­ge­tre­ten, was zu einer Ver­zö­ge­rung von 20 Mi­nu­ten ge­führt habe. Ob­wohl er eine Mit­ar­bei­te­rin der Be­klag­ten auf das dro­hen­de Ver­pas­sen des Ab­flugs hin­ge­wie­sen habe, sei er in der War­te­schlan­ge nicht vor­ge­zo­gen wor­den.

BGH ver­weist auf man­geln­de Ein­fluss­mög­lich­keit des Flug­ha­fen­be­trei­bers

Das AG hat die auf Zah­lung von rund 2.980 Euro (für den Er­werb eines Er­satz­ti­ckets, zu­sätz­li­che Hotel- und Fahrt­kos­ten nebst Zin­sen und vor­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten) ge­rich­te­te Klage ab­ge­wie­sen. Auch Be­ru­fung und Re­vi­si­on blie­ben er­folg­los. Der BGH hat bei der Re­vi­si­ons­ent­schei­dung of­fen­ge­las­sen, ob zwi­schen der Be­trei­ber­ge­sell­schaft und dem Klä­ger eine ver­trag­li­che Be­zie­hung be­stand, aus der Scha­den­er­satz­an­sprü­che her­ge­lei­tet wer­den könn­ten. Je­den­falls sei die Or­ga­ni­sa­ti­on der Pass­kon­trol­len nicht in den Ver­ant­wor­tungs­be­reich der Flug­ha­fen­be­triebs­ge­sell­schaft ge­fal­len, son­dern in den der Bun­des­po­li­zei (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BPolG). Der Flug­ha­fen­be­trei­ber habe in­so­weit keine Ein­fluss­mög­lich­kei­ten, ins­be­son­de­re ist es ihm ver­wehrt, ein­zel­ne (ver­spä­te­te) Rei­sen­de durch ein "Vor­zie­hen der Pass­kon­trol­le" ge­gen­über recht­zei­tig er­schie­ne­nen Pas­sa­gie­ren zu pri­vi­le­gie­ren.

Pas­sa­gier muss sich selbst kun­dig ma­chen

Des­sen un­ge­ach­tet hät­ten sich aus dem Klä­ger­vor­trag keine An­halts­punk­te für eine un­an­ge­mes­se­ne, auf einem Or­ga­ni­sa­ti­ons­man­gel be­ru­hen­de Ver­zö­ge­rung der Pass­kon­trol­le er­ge­ben. Nach sei­nen An­ga­ben habe er um 11.35 Uhr die Si­cher­heits­kon­trol­le pas­siert und das Ab­flug­gate kurz nach zwölf Uhr er­reicht. Die Pass­kon­trol­le sei somit zügig durch­ge­führt wor­den. Eine Pflicht­ver­let­zung sei der Be­klag­ten auch nicht etwa des­halb vor­zu­wer­fen, weil sie in ihren In­ter­net­sei­ten auf Ea­sy­PASS hin­ge­wie­sen habe, ohne zu er­wäh­nen, dass der Pas­sin­ha­ber min­des­tens zwölf Jahre alt sein muss­te. Der Hin­weis sei er­sicht­lich nicht ab­schlie­ßend ge­we­sen, be­tont der BGH. Der Klä­ger hätte sich über die Nut­zungs­be­din­gun­gen näher, etwa über die hier­für ein­ge­rich­te­te In­ter­sei­te der Bun­des­po­li­zei, in­for­mie­ren müs­sen. Ver­zich­tet der Flug­gast auf die Ein­pla­nung eines aus­rei­chen­den Zeit­puf­fers, weil er das au­to­ma­ti­sier­te Grenz­kon­troll­sys­tem Ea­sy­PASS nut­zen möch­te, ohne sich recht­zei­tig über des­sen Mo­da­li­tä­ten zu in­for­mie­ren, be­ge­be er sich frei­wil­lig in eine pre­kä­re Si­tua­ti­on, deren Fol­gen letzt­lich von ihm her­bei­ge­führt und von ihm zu tra­gen sind.

In­for­ma­tio­nen auch an Flug­ha­fen selbst nicht ein­ge­holt

Der Klä­ger hätte sich sogar noch am Flug­ha­fen die nö­ti­gen In­for­ma­tio­nen recht­zei­tig be­schaf­fen kön­nen, merkt der BGH an. Ob­wohl er – wie er vor­ge­tra­gen hat – be­reits um 10.07 Uhr das Ge­päck am Check-in-Schal­ter auf­ge­ge­ben hatte, habe er sich erst um 11.10 Uhr mit sei­ner Fa­mi­lie zur Si­cher­heits­kon­trol­le be­ge­ben. Es hätte somit vor Ort noch ge­nü­gend Zeit zur Ver­fü­gung ge­stan­den, sich hin­sicht­lich der Nut­zungs­be­din­gun­gen von Ea­sy­PASS zu er­kun­di­gen. Statt­des­sen habe der Klä­ger mit sei­ner Fa­mi­lie rund eine Stun­de leicht­sin­nig "ver­bum­melt", indem – wie er selbst vor­trägt – unter an­de­rem "in das ein oder an­de­re Ge­schäft ge­schaut" wurde. Im Üb­ri­gen dürfe sich ein Flug­gast auch nicht auf die stän­di­ge Be­triebs­be­reit­schaft der com­pu­ter­ge­stütz­ten elek­tro­ni­schen Grenz­kon­trol­le ver­las­sen. 

BGH, Urteil vom 08.12.2022 - 6 StR 68/22

Redaktion beck-aktuell, 8. Dezember 2022.

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