Kein Regress bei Sturz von dritter Stufe

Fällt ein Maler auf einer Baustelle von der dritten Stufe einer ungesicherten Treppe, kann der Versicherungsträger dessen Arbeitgeber nicht in Regress nehmen. Es besteht keine Pflicht, freiliegende Treppenläufe bis zu einem Meter besonders zu sichern. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 21.07.2020 entschieden.

Unfall auf ungesicherter Treppe

Eine Malerei hatte es versäumt, auf einer Baustelle an der Treppe zwischen Erdgeschoss und 1. Obergeschoss eine Absturzsicherung anzubringen, obwohl statt eines Geländers nur ein Flatterband angebracht war. Einer ihrer Angestellten stürzte von der dritten Stufe einen halben Meter tief und verletzte sich erheblich an den Armen. Die gesetzliche Unfallversicherung forderte vom Malerbetrieb und dem Malermeister den Ersatz der Kosten, die ihr entstanden waren. Die Klage war vor dem LG Hannover und dem OLG Celle erfolglos - auch die Revision vor dem Bundesgerichtshof wurde zurückgewiesen.

Sicherungspflicht erst ab einem Meter Absturzhöhe

Ein Anspruch nach § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII setzt neben dem Unfall voraus, dass die Beklagten eine elementare Schutzpflicht verletzt haben. Hier hat der Betrieb dem Bundesgerichtshof zufolge zwar gegen § 12 Abs. 1 Nr. 2 der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) "Bauarbeiten" verstoßen, weil er die über einen Meter hohe Treppe nicht ausreichend abgesichert hatte. Dieser Umstand habe aber den Sturz nicht verursacht: Der Angestellte war nicht aus einem Meter Höhe, sondern bereits von der dritten Stufe heruntergefallen. In dieser Höhe bestehe noch keine Absicherungspflicht. Der VI. Zivilsenat stellt klar: Die Pflicht, einen freiliegenden Treppenlauf auf einer Baustelle mit einer Absturzsicherung zu versehen, besteht erst ab einer Absturzkante über einem Meter. Bei einem Sturz von bis zu einem Meter Höhe sei nur mit Verletzungen - nicht aber mit dem Tod des Nutzers - zu rechnen.

Berücksichtigung des Haftungsprivilegs des Unternehmens

Die Karlsruher Richter hatten bei der Auslegung des § 110 SGB VII das besondere Haftungsprivileg der Unternehmen nach § 104 ff SGB VII im Blick: Ein Betrieb, der monatlich Beiträge in die Unfallkasse leistet, soll nur in Regress genommen werden, wenn ihn ein besonders schwerer Vorwurf trifft. Erst dann, wenn es der Versichertengemeinschaft nicht mehr zuzumuten ist, die Kosten des Unfalls zu tragen, soll der Verursacher Schadensersatz leisten. Selbst wenn man hier davon ausgehen würde, dass der Betrieb den Unfall verursacht habe, spreche nichts für ein grob fahrlässiges Verhalten, so die Bundesrichter.

BGH, Urteil vom 21.07.2020 - VI ZR 369/19

Redaktion beck-aktuell, 24. September 2020.