Kein Rechtsmittel gegen abgelehnte Geheimhaltungsanregung

Gegen eine vom Gericht abgelehnte Geheimhaltungsanregung gibt es kein Rechtsmittel. Das gilt selbst dann, wenn das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Das hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 14.10.2020 entschieden. Die Rechtsbeschwerde eines Privatversicherers war vom Oberlandesgericht zugelassen worden, nachdem es die Anordnung des Landgerichts aufgehoben hatte.

Geschäftsgeheimnisse geschützt

Ein privat krankenversicherter Mann hatte sich gegen mehrere Beitragserhöhungen seiner Assekuranz gewehrt. Diese hatte beantragt, die Öffentlichkeit zum Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse auszuschließen sowie den Versicherten und dessen Anwalt zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Sie hatte Dokumente eingereicht, die sie erst nach Rechtskraft einer solchen Anordnung an den Versicherten überreicht sehen wollte. In der mündlichen Verhandlung vor dem LG Darmstadt wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Sodann wurde den "Anwesenden, dem Versicherten und seinem Anwalt" die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht gemacht. Das LG half den dagegen eingelegten sofortigen Beschwerden des Versicherten und seiner Prozessvertreterin nicht ab. Das OLG Frankfurt am Main hob die Geheimhaltungsverpflichtung nach den sofortigen Beschwerden auf: Der angefochtene Beschluss sei nicht von der Vorschrift des § 174 Abs. 3 GVG gedeckt. Zwar seien die Unterlagen als Geschäftsgeheimnisse anzusehen. Das LG habe aber die Verpflichtung zur Geheimhaltung nicht auf den Versicherten und dessen Anwältin beschränken dürfen.

BGH: Nichtanordnender Beschluss nicht angreifbar

Die Rechtsbeschwerde der Versicherung hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Aus Sicht der Bundesrichter war das Rechtsmittel unzulässig, denn gegen das Absehen von der Anordnung einer Geheimhaltungsverpflichtung nach § 174 Abs. 3 GVG existiere kein Rechtsmittel. Über diese Hürde könne auch eine Zulassung der Beschwerde nicht hinweghelfen.

Die allein in Betracht kommende sofortige Beschwerde sei nicht eröffnet. Laut dem IV. Zivilsenat war die sofortige Beschwerde gegen das Absehen von der Anordnung einer Geheimhaltungsverpflichtung nicht nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, weil das Gesetz keine Vorschrift zur Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses vorsieht. Insbesondere bestimme § 174 Abs. 3 Satz 3 GVG nur die Statthaftigkeit der (sofortigen) Beschwerde gegen einen die Geheimhaltungsverpflichtung anordnenden Beschluss. Für den Fall der Nichtanordnung treffe die Norm aber keine Aussage. Prozessual liege hier eine Anregung - kein Antrag - vor, so dass die Beschwerde auch nicht nach den allgemeinen Regeln eröffnet sei.

Kein bleibender rechtlicher Nachteil

Aus Sicht des BGH war die sofortige Beschwerde gegen eine von einer Geheimhaltungsverpflichtung absehende Entscheidung nicht abweichend vom Wortlaut des § 174 Abs. 3 GVG zuzulassen. Im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, das Gebot effektiven Rechtsschutzes oder den Grundsatz prozessualer Waffengleichheit sei dies nicht erforderlich. Für den Geheimnisträger komme es zu keinem bleibenden rechtlichen Nachteil, der sich im weiteren Verfahren nicht mehr beheben ließe. Er könne die Herausgabe der Unterlagen bis zum Erlass einer Anordnung verweigern. Soweit die fehlende Verwertbarkeit der Dokumente zu prozessualen Nachteilen für ihn führen sollte, könne er im Rahmen des Rechtsmittels gegen die Endentscheidung das fehlerhafte Absehen von der Geheimhaltung rügen. Dadurch sei ein versehentliches Übersenden oder Überlassen der Unterlagen im Rahmen einer Akteneinsicht nicht ausgeschlossen. Dies rechtfertige es aber nicht, eine im Gesetz nicht vorgesehene Anfechtbarkeit einzuführen.

BGH, Beschluss vom 14.10.2020 - IV ZB 8/20

Redaktion beck-aktuell, 27. Oktober 2020.