Kein nachträgliches Beschwerderecht eines Angehörigen

Will ein Angehöriger zu einem Betreuungsverfahren hinzugezogen werden, muss ihm das Gericht eine Einflussnahme ermöglichen und dies zumindest konkludent zum Ausdruck bringen. Allein die Bekanntgabe der erstinstanzlichen Entscheidung bewirkt laut Bundesgerichtshof aber noch keine Beteiligung. Zu diesem Zeitpunkt könne auf das Verfahren nicht mehr eingewirkt werden.

Sohn will an Betreuungsverfahren mitwirken

Eine 87-Jährige widerrief eine notarielle Vorsorgevollmacht. Diese hatte sie zunächst einem ihrer beiden Söhne erteilt. Stattdessen gab sie sie dem anderen Filius sowie ihrem getrennt lebenden Ehemann. Im Rahmen eines Rechtsstreits der Mutter gegen den Enttäuschten regte das Landgericht Hamburg beim dortigen Amtsgericht einen Betreuer für sie an. Der Nachkomme bestritt in dem angeregten Verfahren die Wirksamkeit der neuen Vollmacht und den Widerruf, bezeichnete hingegen die ihm früher erteilte Vollmacht als wirksam. Zugleich beantragte er, am Betreuungsverfahren beteiligt zu werden und Akteneinsicht zu erhalten. Das AG teilte ihm mit, es wolle darüber erst nach Rückkehr der Akten von einem Sachverständigen entscheiden. Als das psychiatrische Gutachten vorlag und die Dame zweimal angehört worden war, lehnte es die Einrichtung einer Betreuung ab – ohne über eine Beteiligung des Sohnes zu urteilen. Die Beschwerde dagegen scheiterte vor dem LG Hamburg. Denn aus dessen Sicht fehlte dem Beschwerdeführer die Beschwerdebefugnis. Im ersten Rechtszug sei er nicht – auch nicht konkludent – hinzugezogen worden.

Zeitpunkt der Einflussnahme entscheidet

Auch die Rechtsbeschwerde beim BGH blieb ohne Erfolg. Aus Sicht des Familiensenats spricht der Umstand, dass das AG seine Endentscheidung auch dem Sohn mittels Abschlussverfügung bekanntgegeben hat, in der dieser als "sonstiger Beteiligter" bezeichnet ist, nicht für eine Beteiligung. Denn zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der erstinstanzlichen Entscheidung sei kein Einfluss auf das Verfahren derselben Instanz mehr möglich. Es genüge nicht, wenn die Tätigkeit des Beteiligten lediglich auf seine Eigeninitiative, nicht aber auf einen nach außen hervorgetretenen Hinzuziehungswillen des Gerichts zurückgehe. Fehle es hieran, lässt dem Karlsruher Entscheid zufolge allein die Konstellation, dass das Gericht neben dem weiteren Akteninhalt die Schreiben des Anregenden dem Sachverständigen zuleitete, für sich betrachtet ebenfalls nicht auf einen gerichtlichen Willen schließen, ihm eine Einflussnahme auf das Verfahren zu ermöglichen. Gegen eine konkludente Beteiligung am Verfahren spreche vielmehr, dass sich das AG ein Urteil darüber zunächst ausdrücklich vorbehalten habe.

BGH, Beschluss vom 14.03.2021 - XII ZB 169/19

Redaktion beck-aktuell, 5. Mai 2021.