Kein Interessenskonflikt bei anwaltsfremder Tätigkeit

Es stellt keinen Verstoß gegen Berufsrecht dar, wenn ein Rechtsanwalt erst im Prospektbilligungsverfahren tätig wird und dann als Sicherheitentreuhänder für die Anleger auftritt. Soweit Interessenkonflikte bestehen, die sich auf die Treuhandtätigkeit auswirken könnten, ist jedoch aufzuklären. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 17.09.2020 entschieden.

Über Interessenkonflikt aufklären

Zwei Anleger nahmen eine Partnerschaft von Rechtsanwälten auf Schadenersatz wegen Anwaltshaftung in Anspruch. Die Gesellschaft war für sie als Sicherheitentreuhänderin einer Immobilienfirma tätig geworden. Diese kaufte günstig Immobilien, wertete sie auf und verkaufte sie dann weiter. Ihre Geschäftstätigkeit finanzierte die Firma primär mit der Emission von Anleihen. Beide Kleinanleger erwarben 2009 beziehungsweise 2010 Anteile an Anleihen des Unternehmens. Laut Treuhandvertrag sollte die Anwaltsgesellschaft die Sicherheiten für die Investoren halten und nach Zahlung freigeben sowie bei Zahlungsausfall des Immobilienunternehmens die Sicherheiten zu deren Gunsten verwerten. Im Jahr 2008 hatte die Firma Schwierigkeiten, Käufer für die Grundstücke zu finden, und versuchte, ihren Bestand an eine Tochterfirma zu verkaufen. Dies scheiterte, da diese den Kaufpreis nicht aufbringen konnte; die beiden Anleihen wurden bei Fälligkeit nicht zurückgezahlt und ein Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Anleger sahen sich von den Anwälten getäuscht: Sie seien bereits bei Erstellung des Prospekts für die Immobilienfirma tätig gewesen und hätten wichtige Informationen nicht offen gelegt. Das Landgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Die Berufung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf war hingegen überwiegend erfolgreich: Die Anwälte hätten ihre Mandaten vorvertraglich über einen bestehenden Interessenkonflikt informieren müssen, da sie durch die Vertretung im Prospektbilligungsverfahren widerstreitende Interessen wahrgenommen hätten. Zudem hätten sie auf das Scheitern des Verkaufs an die Tochterfirma hinweisen müssen. Insoweit hätten sie sich in einem "tiefgreifenden Loyalitätskonflikt" befunden.

BGH: Anwaltsfremde Tätigkeit

Das sah der BGH anders und gab der Revision statt. Aus Sicht der Karlsruher Richter hat die Anwaltspartnerschaft weder einen Verstoß gegen Berufsrecht begangen noch Aufklärungspflichten aus einem (vor-)vertraglichen Schuldverhältnis verletzt. Der Treuhandvertrag mit der Immobilienfirma schütze zwar die Anleger und könne Aufklärungspflichten auslösen; aber hier seien keine Pflichten verletzt worden. Somit habe auch kein Hinweis erfolgen müssen.

Dem III. Zivilsenat zufolge hat die Partnerschaftsgesellschaft zunächst nicht gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen aus § 43a Abs. 4 BRAO verstoßen, weil der Treuhandvertrag kein anwaltlicher Beratungsvertrag und deshalb nicht dem Kernbereich anwaltlicher Berufsausübung zuzuordnen sei. Vielmehr handele es sich dabei um einen Geschäftsbesorgungsvertrag über eine anwaltsfremde Tätigkeit. Der Umstand, dass ihre treuhänderische Tätigkeit im wirtschaftlichen Interesse der Anleger erfolgt und der erzielte Erlös an diese zu verteilen gewesen wäre, qualifiziere sie nicht als rechtliche Beratung oder Vertretung der Anleger. Damit entschied der BGH einen Meinungsstreit dahingehend, dass das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nur bei Tätigkeit als Anwalt in beiden Fällen gilt. Ansonsten sei auch das Verbot des § 45 BRAO, welcher das erneute Aufgreifen eines Falls außerhalb der Bindungen des Anwaltsvertrages verbiete, weitestgehend überflüssig.

Aus Sicht der Bundesrichter befand sich die Anwaltsgesellschaft auch nicht in einem für die Zeichnung der Anleihen relevanten Interessenkonflikt. Aus ihrer Vortätigkeit im Prospektbilligungsverfahren ergebe sich kein den Zweck des Treuhandvertrages (potenziell) gefährdender, für die Anlageentscheidung der Anleihezeichner relevanter Interessenkonflikt, über den hätte aufgeklärt werden müssen. Der Treuhandvertrag beschränke sich auf bestimmte, fast mechanische Aufgaben bei der Abwicklung. Insbesondere löse er keine Aufklärungspflichten über wirtschaftliche Risiken oder Ertragsaussichten aus. Umgekehrt sei die Beratung bei Erstellung des Prospekts nur auf die Einreichung korrekter Unterlagen gerichtet. Damit könne hier nicht von einer Tätigkeit in "derselben Angelegenheit" gesprochen werden, sodass auch keine Vorbefassung im Sinn des § 45 BRAO vorliege.  

BGH, Urteil vom 17.09.2020 - III ZR 283/18

Redaktion beck-aktuell, 14. Oktober 2020.