Kein fik­ti­ver Män­gel­be­sei­ti­gungs­an­spruch im Werk­ver­trags­recht

Der VIII. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hält an sei­ner Ab­leh­nung fik­ti­ver Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten im Werk­ver­trags­recht fest. Al­ler­dings sieht er auch keine Not­wen­dig­keit, die Frage im Schuld­recht ein­heit­lich zu be­ant­wor­ten. Dies teil­te der Senat am 08.10.2020 auf eine An­fra­ge des V. Zi­vil­se­nats hin mit.

Feuch­tig­keits­scha­den im Schlaf­zim­mer

Der Vor­la­ge des V. Zi­vil­se­nats lag fol­gen­der Fall zu­grun­de: Die Klä­ger kauf­ten eine Ei­gen­tums­woh­nung. Ihnen war be­kannt, dass im Schlaf­zim­mer be­reits ein­mal Feuch­tig­keit auf­ge­tre­ten war. Der Ver­käu­fer ver­pflich­te­te sich, die­sen Scha­den - soll­te er bis Ende 2015 noch ein­mal auf­tre­ten - zu be­sei­ti­gen. Es wurde tat­säch­lich wie­der feucht, aber der Ver­pflich­te­te be­sei­tig­te den Scha­den trotz Auf­for­de­rung nicht. Dar­auf­hin ver­lang­ten die Ei­gen­tü­mer von ihm die Zah­lung vor­aus­sicht­li­cher Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten ohne Um­satz­steu­er in Höhe von rund 12.000 Euro. Sie woll­ten den Scha­den nicht be­sei­ti­gen, son­dern nur die Kos­ten hier­für be­kom­men (fik­ti­ver Män­gel­be­sei­ti­gungs­an­spruch). Das Land­ge­richt Kre­feld sprach ihnen nur rund 8.000 Euro zu; diese bil­de­ten den Min­der­wert der Woh­nung im Ver­hält­nis zum ge­zahl­ten Kauf­preis ab. Aber auch hier­ge­gen wehr­te sich der Ver­käu­fer beim Bun­des­ge­richts­hof.

Ver­ein­heit­li­chung der Recht­spre­chung

Der zu­stän­di­ge V. Zi­vil­se­nat be­ab­sich­tig­te, die Re­vi­si­on ab­zu­wei­sen und dem Kla­ge­an­spruch in vol­ler Höhe statt­zu­ge­ben. Er sah sich aber durch die Recht­spre­chung des VII. Zi­vil­se­nats daran ge­hin­dert, weil die­ser für das Werk­ver­trags­recht den fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gungs­an­spruch ab­lehnt. Daher legte er dem VII. Senat unter an­de­rem die Frage vor, ob die­ser seine Recht­spre­chung zum so­ge­nann­ten klei­nen Scha­dens­er­satz auf­ge­be, um für das ge­sam­te Schuld­recht ein­heit­li­che Re­geln zum fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gungs­an­spruch zu schaf­fen. Dabei ging er davon aus, dass sich der Streit al­lein um die Aus­le­gung der all­ge­mei­nen Leis­tungs­stö­rungs­re­geln der §§ 280, 281 BGB aus dem all­ge­mei­nen Schuld­recht drehe.

Kor­rek­tur einer Fehl­ent­wick­lung der Recht­spre­chung

Der VII. Zi­vil­se­nat lehn­te es ab, seine Recht­spre­chung für die Scha­dens­be­mes­sung im Werk­ver­trags­recht auf­zu­ge­ben. Dort habe es zuvor eine Fehl­ent­wick­lung ge­ge­ben: Wie er an meh­re­ren Bei­spie­len be­leg­te, wären die Be­stel­ler durch die frü­he­re Recht­spre­chung re­gel­mä­ßig be­rei­chert wor­den, weil der fik­ti­ve Män­gel­be­sei­ti­gungs­an­spruch weit über den Min­der­wert des Werks hin­aus­ge­gan­gen sei. Das Scha­dens­recht wolle aber den Ver­lust nur kom­pen­sie­ren - der Ge­schä­dig­te solle ge­ra­de nicht über den Scha­den hin­aus be­rei­chert wer­den.

Scha­dens­be­mes­sung rich­tet sich nach Ge­samt­ge­fü­ge der Werk­ver­trags­re­geln

Die Scha­dens­be­mes­sung nach fik­ti­ven Män­gel­be­sei­ti­gungs­kos­ten wird dem VII. Senat zu­fol­ge nicht durch die §§ 280, 281 BGB für alle Ver­trags­ty­pen vor­ge­ge­ben. Viel­mehr wür­den diese all­ge­mei­nen Vor­schrif­ten für das Leis­tungs­stö­rungs­recht mit den Werk­ver­trags­re­geln ver­knüpft. Das Leis­tungs­in­ter­es­se des Be­stel­lers sei auf die Her­stel­lung eines man­gel­frei­en Werks ge­rich­tet, so der Senat. Sei das Werk man­gel­haft und be­sei­ti­ge der Un­ter­neh­mer den Man­gel nicht, könne der Be­stel­ler im Rah­men der Selbst­vor­nah­me den Man­gel selbst be­sei­ti­gen und hier­für die Kos­ten ver­lan­gen. Be­sei­ti­ge er aber den Man­gel nicht, habe er nur einen An­spruch auf den Min­der­wert des Werks. Be­zugs­punkt sei­ner In­ter­es­sen sei also al­lein das man­gel­freie Werk. Der Be­stel­ler soll so ge­stellt wer­den, als wenn der Schuld­ner den Ver­trag ord­nungs­ge­mäß er­füllt hätte, so die Karls­ru­her Rich­ter.

Vor­la­ge­fra­ge nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich

Diese Grund­sät­ze müss­ten aber nicht zwin­gend auf das Kauf­recht über­tra­gen wer­den. Die Struk­tur der Ge­währ­leis­tungs­rech­te bei Kauf- und Werk­ver­trag wi­chen "in zen­tra­len Punk­ten" von­ein­an­der ab. Nach Auf­fas­sung des VII. Zi­vil­se­nats ist hier "kein Gleich­lauf" ge­bo­ten.

BGH, Beschluss vom 08.10.2020 - VII ARZ 1/20

Redaktion beck-aktuell, 4. November 2020.

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