Kein doppeltes Schlichtungsverfahren bei Parteiwechsel
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Ist in einem Nachbarschaftsstreit ein Schlichtungsverfahren erfolglos, wird ein erneuter Versuch nach einem Parteiwechsel entbehrlich. Nachdem der Bundesgerichtshof 2010 für den Klägerwechsel entschieden hatte, dass er kein erneutes Vorverfahren für erforderlich hält, bestätigte er seine Ansicht nun für den Beklagtenwechsel. Es gebe keinerlei Veranlassung, hier einen Unterschied zu machen.

Nachbarn haben Sträucher nicht zurückgeschnitten

Zwei Grundeigentümer stritten um nachbarliche Pflichten wie Strauchschnitt. 2015 führten sie deswegen ein erfolgloses Schlichtungsverfahren durch. Danach forderten die Kläger die Durchführung der Maßnahmen vor dem Amtsgericht ein. Allerdings wussten sie nicht, dass die Nachbarin ihr Grundstück inzwischen an ihre Tochter weitergegeben hatte. Nach der Zustellung erklärten die Kläger den Parteiwechsel. Das Amtsgericht Königswinter wies die Klage als unzulässig ab, weil durch den Parteiwechsel ein erneuter Schlichtungsversuch erforderlich sei. Das Landgericht Bonn stimmte dem zu. Daraufhin wandten sich die Kläger an den Bundesgerichtshof – mit Erfolg.

Kein doppeltes Schlichtungsverfahren bei Parteiwechsel

Der BGH hob die Entscheidung auf und verwies die Sache zum Amtsgericht zurück. Die Karlsruher Richter halten ein erneutes Schlichtungsverfahren für überflüssig, weil über die Ansprüche bereits eine Schlichtung versucht worden war. Der Parteiwechsel zum gerichtlichen Verfahren sei unerheblich. Der Anwendungsbereich des § 15a EGZPO in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Nr. 1b und e JustG NRW sei zwar eröffnet, führe aber nicht zur Unzulässigkeit des gerichtlichen Verfahrens, wenn die jeweiligen Parteien nicht identisch seien. Der Wechsel stehe einer Klageänderung nach § 263 ZPO gleich, ihm werde entweder vom Gegner zugestimmt und damit signalisiert, dass der Forderung freiwillig nicht nachgekommen wird, oder er werde vom Gericht als sachdienlich erachtet.

Keine Entlastung der Zivilgerichte mehr möglich

Der BGH begründete seine Entscheidung mit dem Zweck der Öffnungsklausel: Die Zivilgerichte sollten entlastet werden, indem geeignete Verfahren – wie Nachbarschaftsstreitigkeiten – durch Schlichtungen gelöst werden. Es gehe darum, Konflikte schneller und kostengünstiger zu bereinigen. Sei die Schlichtung aber bereits ohne Erfolg verlaufen, verkehrt sich der Zweck der Norm laut dem V. Zivilsenat ins Gegenteil, weil das Zivilgericht doppelt in Anspruch genommen wird. Der BGH hatte 2010 diese Entscheidung bereits für den Fall des Klägerwechsels entschieden und sieht keine Veranlassung, etwas anderes für den Beklagtenwechsel anzunehmen. Eine schnelle und günstige Konfliktbereinigung werde dadurch nicht erreicht.

BGH, Urteil vom 16.12.2022 - V ZR 34/22

Redaktion beck-aktuell, 6. Februar 2023.